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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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gemacht. Jetzt sag' du, Lehrer, ob's wahr ist oder nicht, sie glauben mir sonst wieder nichts.«
    Der Lehrer sah zu seinem großen Leidwesen, daß er durch das Du seinem Schwager eine Stellung sich gegenüber eingeräumt hatte, die manches Nachtheilige brachte; er faßte sich indeß schnell wieder und gab den Bauern eine Uebersicht der griechischen Götterlehre. Er erzählte dabei einige Wundergeschichten, die viel Aufmerksamkeit erregten. Es kam ihm selber sonderbar vor, daß er hier in einer von Tabaksrauch erfüllten Schwarzwälder Dorfschenke die griechische Götterschaar herbeizog. Alles das hatte der Schwäbische Merkur gethan.
    Viele Mühe kostete es, den Bauern auszureden, daß die Griechen doch »blitzdumm« gewesen seien. Er erzählte ihnen von dem frommen und weisen Sokrates und seinem Martertode.
    »Dem ist's ja grad gangen wie unserm Heiland,« sagte Kilian von der Froschgasse.
    »Allerdings,« erwiderte der Lehrer. »Wer eine neue, heilbringende Wahrheit gradaus an Mann bringen will, der muß dafür ein Kreuz auf sich nehmen.« Der Lehrer seufzte hierbei, er hatte diese Worte nicht ohne Nebenbeziehung gesagt, denn er fühlte wohl, wie schwer ihm die Aufgabe würde, die er sich gestellt.
    Als die Männer weggingen, sagte Einer zum Andern: »Das war doch einmal ein schöner Abend, da lernt man doch was dabei und die Zeit geht 'rum, man weiß nicht wie.«
    Der Lehrer hatte sich vorgenommen, den Bauern etwas aus der griechischen Göttergeschichte vorzulesen; glücklicherweise kam ihm aber am folgenden Abend ein ganz anderes Buch, nämlich eine deutsche Sprüchwörtersammlung, in die Hand. Als er nun in die Wirthsstube trat, zog er das Buch aus der Tasche und sagte: »Da will ich euch einmal 'was vorlesen.« Die Leute machten unwillige Gesichter, sie hatten einen tiefen Widerwillen gegen Bücher. Der Mathes gewann am ersten das Wort und sagte:
    »Erzählet uns lieber, Herr Lehrer.«
    »Ja, ja, erzählen, nicht lesen,« hieß es allgemein.
    »Höret nur einmal ein wenig zu,« sagte der Lehrer, »wenn's nicht gefällt, könnt ihr ohne Scheu sagen: ich soll aufhören.«
    Immer Pausen machend, begann nun der Lehrer die Sprüchwörter zu lesen.
    »Ei, das sagt ja der Schmiedjörgli – und das ist ja des Brunnenbasche's Red' – das hat die alt' Maurita immer gesagt – und das ist dein Wort, Andres, Michel, Kaspar,« so hieß es von allen Seiten. Die Spieler hatten ihre Karten weggelegt und sich den Zuhörern beigesellt, denn manchmal erscholl auch ein lautes Gelächter, wenn ein derber Kernspruch vorkam.
    Der Lehrer konnte sich den Triumph nicht versagen, die Frage zu stellen:
    »Soll ich weiter lesen?«
    »Ja, bis mornemorgen,« hieß es von allen Seiten und der Kilian von der Froschgaß sagte:
    »Das muß ein grundgescheiter Mann gewesen sein, der das Buch gemacht hat, der hat Alles gewußt, das war gewiß einer von den alten Weisen.«
    »Ja, das sind deine Leut', Kilian,« hieß es aus einer Ecke.
    »Seid jetzt still,« hieß es von andern Seiten. »Herr Lehrer, leset weiter.«
    So geschah. Manchmal kamen auch Berichtigungen und Zusätze vor, und es that dem Lehrer leid, daß er sie nicht aufschreiben durfte; er scheute dieß, denn er fürchtete mit Recht dadurch die Offenherzigkeit der Leute befangen zu machen. Ein wucheriges Leben war unter allen, eine nie empfundene Freude, hier ihre ganze Weisheit auf einem Haufen wieder zu finden. Auch Streit über die richtige Deutung und die Wahrheit des einen und andern Sprüchworts entspann sich unter Einzelnen, in welchen sich der Lehrer wohlweislich nicht mischte. Einige bedrängten dann die Streitenden, sie sollten jetzt nur aufhören, Andere den Lehrer, er solle nur weiter lesen. So waren alle voll Feuer, und unser Freund fand eine wohlige Genugthuung darin, es entzündet zu haben.
    Als er am andern Abend wieder kam, waren mehr Bauern als gewöhnlich versammelt; sie fürchteten sich nicht mehr vor einem Buche, sondern umdrängten ihn Alle und fragten:
    »Habt Ihr wieder so was Schön's wie gestern?«
    »Ja,« sagte der Lehrer und zog ein Buch heraus; aber dießmal ging es nicht so leicht ab, es war Unkraut unter dem Weizen, der Studentle hatte ihn gesäet, denn er hatte einen Widerwillen gegen allen aufkommenden Ernst. Mit einigen jungen Burschen, die er gewonnen, saß er an einem Tische und sie begannen laut zu singen; der Lehrer wußte sich nicht zu helfen. Da sagte der Mathes:
    »Hör' einmal, Constantin, schämst du dich nicht, du bist jetzt

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