Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
jedesmal eine Weile innegehalten. Da entstand dann allgemeines Zwiegespräch, man meinte, die Leute hätten Alle etwas zu bemerken, aber aufgefordert, ihre Ansichten mitzutheilen, schwiegen sie; nur Mathes, Hansjörg, Kilian und Wendel ergriffen laut das Wort. Ein allgemeiner, furchtbarer Sturm entstand aber, als verlesen wurde:
    »So lange die Leseabende dauern, darf während derselben nicht geraucht werden.«
    Das allgemeine Murren wollte gar nicht aufhören, bis endlich der Buchmaier das Wort ergriff, indem er dem Lehrer dabei zuwinkte, wie wenn er sagen wollte: »Hab' ich dir's nicht prophezeiht? Ich kenn' meine Leut'.« Er begann laut:
    »Ich mein', man streicht das Gesetz vom Rauchen ganz weg.«
    »Ja, ja,« erscholl es allgemein, wie aus Einem Munde. Der Buchmaier aber fuhr fort:
    »Wer also das Rauchen nicht lassen kann, der soll in Gott's Namen rauchen; es wird aber dem Lehrer schwer werden, in dem Dampf zu lesen, und wenn er eben aufhören muß, so hört er auf, es kann's ihm Keiner verübeln. Aber das wollen wir doch feststellen: wer zu rauchen angefangen hat und die Pfeif' geht ihm aus, der darf sie nimmer anzünden, bis das Lesen aus ist, er kann dieweil schlafen, wenn er die Augen nicht aufhalten kann, aber schnarchen darf Keiner.«
    Ein schallendes Gelächter entstand, nach welchem der Buchmaier fortfuhr:
    »Vom Rauchen thun wir also gar kein Wörtle in's Gesetz, und auch das wollen wir nur so mündlich ausmachen: wenn das Lesen vorbei ist, soll einem Jeden ein besonder Licht aufgehen, er soll sich mit einem Papierle sein' Pfeif' anstecken. Ist's so recht oder nicht?«
    »Ja, so ist's recht.«
    »Und wer schwätzen will, muß die Pfeif' 'rausthun,« rief eine Stimme, man wußte nicht, von wem sie kam; der bescheidene Redner hat sich bis heute nicht entdeckt.
    Eine fernere Beschlußnahme machte noch viel Hin-und Herreden, nämlich über den Ort der Zusammenkunft. Da fast sämmtliche Gemeinderäthe anwesend waren, wurde das große Vorzimmer im Rathhause dazu bestimmt, denn der Lehrer hatte aus richtigem Takte gegen die Erwählung des Schulzimmers Einsprache gethan.
    Auf den Vorschlag Hansjörgs wurde festgesetzt: daß Jeder, der wolle, seinen Schoppen Bier vor sich haben dürfe, aber nicht mehr. Dieser Vorschlag gewann dem Hansjörg so viel Gunst, daß er nebst Kilian und Mathes in den Ausschuß des Lesevereins gewählt wurde.
    Noch gar viele Schwierigkeiten waren zu überwinden, bis der Verein im regelmäßigen Gange war, aber eine Schaar Begeisterter hatte sich um den Lehrer gebildet, die ihm in Allem beistand, wozu besonders Mathes und Thaddä gehörten. Es war dem Thaddä nur leid, daß er nicht eine recht schwere Arbeit für den Lehrer thun konnte, er wäre gern für ihn in's Feuer gelaufen. – Dagegen hatte der Verein auch zwei heftige Feinde an dem Adlerwirth und dem Studentle. Jener sah seine Wirthschaft beeinträchtigt und schimpfte sehr auf den Lehrer, der, seitdem er Bräutigam geworden, auch nicht mehr bei ihm, sondern bei seinem Schwiegervater in Kost war; der Studentle aber witterte in Allem Frömmelei, er sagte offen: sein Schwager sei ein Betbruder, er wolle die Leute nur kirren, man werde schon sehen, wo das hinausgehe.
    Gleichwie oft eine Staatsregierung die Demagogen zu Beamten macht und so für sich gewinnt, so machte der Lehrer den Studentle zum abwechselnden Vorleser. Nun, da er eine Rolle spielte, die seinem Stolze schmeichelte, ward er zum eifrigsten Anhänger des Vereins.
    So lernte der Lehrer nach und nach die Menschen verstehen und lenken.
    Den alten Lehrer und den jüdischen Lehrer suchte unser Freund ebenfalls für den Verein zu gewinnen, Ersterer aber war nicht dazu geneigt, um so eifriger und selbstthätiger aber der Letztere. Auch mehrere Juden, die als Ackerbauern und Handwerker stets zu Hause waren, nahmen lebhaften Antheil.
    Die Auswahl der Bücher war schwierig. Unser Freund merkte bald, daß das Belehrende oder unmittelbar sittliche Zwecke verfolgende nicht ausschließlich vorherrschen dürfe. Ohne daher die Sache zur bloßen Unterhaltung zu erniedrigen, wurden Abschnitte aus der Limpurger Chronik, Gedichte von Gleim, das Leben Schubarts, Mosers, Franklins etc. vorgelesen. Besonders viel Freude machte auch die Geschichte von Paul und Virginie und Wallensteins Lager, dem einige Abschnitte aus dem Simplizissimus beigefügt wurden. Am meisten aber horchte Alles auf, als der Lehrer, der Studentle und der jüdische Lehrer »Hedwig, die Banditenbraut, von Körner« lasen;

Weitere Kostenlose Bücher