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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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waren.
    Vor dem Vereinsausschusse drängte sich indeß Frieder vor und offenbarte, noch ehe man ihn fragte, sein Begehr, ohne aber wie vor wenigen Minuten die Motive so bündig vorbringen zu können. Es ging ihm dabei wie manchen Rednern, die nach ausführlicher Vorbereitung und privater Darlegung, wenn's drauf und dran kommt, ungeschickt auf's Ziel lostappen, ohne den Weg zu demselben nochmals fest zu durchschreiten. Er kam dadurch in den Nachtheil, daß er bloß als anmaßend erschien. Als man seinem Begehr nicht willfahrte, verließ er trotzig die Versammlung.
    Die Vorstandsmitglieder sahen sich nach dieser ersten Begegnung verwundert an, der Regierungsrat lächelte hinüber zu seinem Freunde, dem Doctor Heister.
    Konrad unterbrach zuerst die eingetretene Stille, indem er auf den Schlanken losging, den er sogleich als den Postillon erkannt hatte und sagte:
    »Willst du mit mir gehen, das Vieh versorgen, im Feld schaffen und den Fuhrleuten vorspannen?«
    Der Angeredete hielt die Lippen noch immer zusammengekniffen und sah Konrad stier an. Erst als man die Frage zum Drittenmal wiederholte, antwortete er:
    »Ja, wenn sonst Keiner von den Kameraden da ins Dorf kommt; allein.«
    Schnell schlüpfte seine Unterlippe wieder zwischen die Zähne.
    Man ging wie natürlich leicht auf die gestellte Bedingung ein und war froh, vorerst Einen untergebracht zu haben.
    Der Schreiber und der aus Hunger Stehlende traten nach vielem Widerstreben bis auf Weiteres in Hahn's Fabrik ein. Der Fromme wollte Pfründner in einem Versorgungshause werden, um ganz seiner Seele zu leben. Da man ihm dieß nicht gewähren konnte, verließ er mit einem Segenswunsche die Versammelten.
    Konrad verließ mit seinem Knecht das Haus. Auf der Straße begann er folgendermaßen:
    »Wie heißt du?«
    »Jakob.«
    »Brauchst mir dein' Geschicht' nicht erzählen, sei nur jetzt brav. Du hast gesehen, wo der krumme Weg hinführt.«
    Jakob antwortete nicht.
    »Hast du schon was gessen?« fragte Konrad wieder.

    »Ja,« lautete die Antwort aus fast verschlossenem Munde.
    Im Wirthshause ging Jakob schnell in den Stall zu den Pferden. Er streichelte und klatschte sie in Einem fort. Es that ihm gar wohl, wieder mit Thieren zusammen zu sein. Seit drei Jahren war er einsam oder unter Menschen, die seine Vorgesetzten waren und bei aller Güte doch stets vor Allem den Verbrecher in ihm sahen. Jetzt war es ihm gar eigen zu Muthe, daß er nun doch wieder bei Thieren war; etwas von der Unschuld der Welt sprach ihn daraus an. Das verlangte auch keine Rede und keine Antwort. Jakob wünschte, daß er mit gar keinem Menschen und nur mit den Thieren zu leben hätte.
    Wie leuchtete sein Angesicht, als er mit seinem Herrn rasch dahinfuhr; er, der seit Jahren in einen kleinen Raum eingefangen war, rollte jetzt wie im Fluge an Bäumen und Feldern und durch Dörfer dahin.
    Auch jetzt noch sprach Jakob wenig, und nur, als ihn Konrad bedeutete, daß der Gelbbraune nicht Fuchs, sondern Brauner heiße, antwortete er: »Schon recht.«
    Als man unterwegs einkehrte und Jakob sein Essen erhielt, nahm er sich dieß mit in den Stall und verzehrte es bei den Thieren.
     
Jakob im Dorfe.
     
    Es ist eine seltsame Empfindung, wenn man in einen Ort kommt, wo man keinen Menschen kennt, wo man aber selber von Allen gekannt ist, und zwar wie Jakob nicht von der vortheilhaftesten Seite. Berühmte Männer können sich vom Gegentheil aus eine Vorstellung davon machen.
    Still und emsig vollführte Jakob die ihm obliegenden Arbeiten, fast immer noch mit eingekniffener Unterlippe. Nie sah man ihn lachen, nie nahm er zuerst das Wort. Wenn er ins Feld ging, bot er Niemand die Zeit, und wenn die Leute ihn grüßten, dankte er kaum hörbar. Nach und nach verbreitete sich das Gerücht, es sei im Oberstüble bei Jakob nicht recht geheuer; doch hatte noch Niemand etwas Närrisches an ihm gesehen, er verrichtete die Feldarbeit und versorgte das Vieh pünktlich, ließ kein Löckle Heu und kein Körnle Hafer verloren gehen. Nie gesellte er sich Abends zu den singenden und scherzenden Burschen. Selbst wenn er allein war, hörte man ihn nicht singen und nicht pfeifen, was doch Jeder thut, der nicht einen Kummer im Herzen oder schwere Gedanken im Kopfe hat.
    Die Frühlingssonne hatte den im Kerker Gebleichten bald wieder geröthet. Die Mädchen bemerkten im Stillen unter sich, daß des Adlerwirths Knecht fünf rothe Bäckle habe, zu den gewöhnlichen noch eines auf dem Kinn und zwei an den Stirnbuckeln.
    Bei alledem

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