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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Heister.
    »Was besser? Alle Menschen sind Egoisten. Alles Uneigennützige geschieht aus Eitelkeit, Langeweile oder Gewohnheit. Freilich, du bist eine
exceptio idealis,
darum verzeihe ich dir deine Demagogie.«
    »Nein, ich will kein Privilegium. Ich glaube, daß noch zu keiner Zeit so viel Menschen waren, deren ausdauerndes Streben dem Gemeinwesen gilt, deren Leid und Freud' vornehmlich aus den Zuständen des Vaterlandes seine Nahrung empfängt. Ein seltener Opfermuth bewegt die heutige Welt; leider findet er kaum eine Gelegenheit, sich anders als im Hoffen und Dulden zu bewähren –«
    »Gelegenheit macht Diebe. Wir kommen da an einen Punkt, über den wir uns nie vereinigen werden –
transeat.
«
    Eine Weile herrschte Stille; beide Männer schienen innerlich nach den Einheitspunkten zu forschen, die sie so bereitwillig voraussetzten. Es war eine peinliche Pause.
    So erquickend es für die Seele ist, wenn zwei Freunde lautlos beieinander sitzen, sich und den Andern still in der Seele hegen, nach fernen Gedankenwelten schweifend doch beieinander sind, jeder in dem andern ein sichtbares Jenseits erkennt; ebenso schmerzlich ist das innere Suchen und Stöbern, einander friedlich zu begegnen.
    Der Regierungsrath nahm zuerst wieder das Wort, indem er sagte: »Auch die Poesie ist uns heutiges Tages geraubt. Der schöne Gott Apollo ist zum kranken Lazarus voll Wunden und Beulen geworden. Die Poeten führen uns heute immer in die schlechteste Gesellschaft. Freigeister und Pietisten blasen aus Einem Loch und proclamiren diese heitere, sonnige Welt als ein Jammerthal. Du warst doch auch einmal ein Stück Poet, was sagst du dazu?«
    »Die Poesie der modernen Welt ist ein Kind des Schmerzes, selbst die harmloseste ist das freie Aufathmen der vorher gedrückten Brust. Ich sehe einen großen Fortschritt darin, daß selbst die Poesie jene falsche Idealität aufgegeben hat, welche die wirkliche Welt ignorirte oder nicht in sie einzugreifen wagt. Eine Idee muß Wirklichkeit werden können, oder sie ist eine eitle Seifenblase. Nun betrachte die Armen und Elenden –«
    »Gut, daß Sie kommen!« rief der Regierungsrath, einer stattlichen, schönen Frau entgegengehend; »Ihr guter Mann hätte mich sonst noch zum Dessert durch alle Höhlen der Armuth gejagt.«
    Das Gespräch nahm nun eine heitere, spielende Wendung, denn der Regierungsrat liebte es, die Frauen durch zierliche Redeblumen zu ergötzen; den Ernst des Lebens entfernte er gern aus ihren Augen. Darin bestand seine Frauenachtung.
    Er sprach sodann von seinem Roccoco-Ameublement, das ihm mit Frau und Kind bald nach der Stadt folgen würde, und bemerkte mit ausführlicher Sachkenntniß, wie das echte Alte alles neu Fabricirte weit hinter sich lasse, da die Arbeiter Geduld und Kunstfertigkeit zu diesen seinen Schnitzeleien nicht mehr haben. Er hatte Schränke, Stühle und Krüge aus alten Ritterburgen und von den Speichern der Bauernhäuser um einen Spottpreis zusammengekauft und wußte manche lustige Geschichte davon zu erzählen.
    Der Advokat sah bisweilen schmerzlich drein, denn er fühlte es tief, daß der Riß zwischen ihm und seinem Jugendfreunde nur nothdürftig überkleistert war.
    Man trennte sich bald. Der Advokat machte sich noch daran, die Papiere eines Clienten zu ordnen, für den er andern Tages eine Reise antreten wollte. Selbst bei der Arbeit konnte er den Gedanken an seinen verlorenen Jugendgenossen nicht los werden; dabei erkannte er wieder aufs Neue, daß selbst die rein humanen Bestrebungen keine Einigung zulassen, wenn der sittlich-politische Hintergrund ein anderer ist.
     
Der Verein und seine Zöglinge.
     
    Wenige Tage darauf saßen in der Hauptstadt fünf Männer um einen Tisch, Actenbündel und mit Siegel versehene Zeugnisse vor ihnen.
    »Es zeigt sich noch wenig Eifer für unser Wirken,« begann der Vorsitzende. »Auf unsern Aufruf haben sich nur zwei zur Annahme von Sträflingen erboten, der eine unser würdiges anwesendes Mitglied, Herr Fabrikant Hahn, der andere ein schlichter Wirt vom Walde; wir haben ihn herbeschieden.«
    Er klingelte, und der Diener trat mit Konrad ein.
    Die Zeugnisse der aus der Strafanstalt Entlassenen lauteten in Betracht der Umstände ziemlich günstig. Wie war ihnen nun aber fortzuhelfen? Besonders mit einem Schreiber, der wiederholte Namensfälschungen verbüßt hatte, wußte man nichts anzufangen. Unter den fünf Sträflingen, die dem Vereine ihre Zukunft anvertraut hatten, wurde auch ein ehemaliger Postillon

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