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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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mich innig,« erwiderte der Doctor, »daß du die Sache des Vereins so nachdrücklich gefördert hast durch das Rundschreiben an die Bezirksgerichte und die Pfarrämter.«
    Der Regierungsrat, denn ein solcher war der Ordensmann, sah geschmeichelt mit dem Kopfe nickend auf seine schönen Sommerstiefeletten und sagte: »Der Verein soll auch die Vortheile unserer geregelten Staatsordnung genießen. Während wir hier sitzen,« fuhr er fort, sich auf dem Stuhle schaukelnd, »ist oder wird von allen Kanzeln des ganzen Landes das Evangelium der armen Sünder verkündet. Hu! wie werden die Thränenbeutel ausgepumpt werden. Das wird den Leuten wohlthun in diesen warmen Tagen, es ist auch eine Cur. Aber das mußt du doch gestehen, daß unser Staatsleben ineinander greift wie ein Uhrwerk. Wenn ich hier einen Druck an der Staatsmaschine anbringe, bewegt sich eine Feder im entlegensten Dorfe.«
    »Ob das ein Glück ist?«
    »Du bist und bleibst der ewige Opponent. Ihr Leute wollt das Gute nicht sehen. Was hättet ihr denn gehabt ohne den Amtsweg? Einen Winkel im Zwischenreich der Landeszeitung –«
    »Lassen wir das. Du kannst dich nicht bekehren, sonst müßtest du mit deinem Schicksal unzufrieden sein und einen großen Teil deiner mühevollen Arbeit für nichtig achten. Drum lassen wir das. Du verdienst allen Dank, daß du den Verein so rasch zu Stande gebracht. Du mußt ihn gut bevorwortet haben.«
    »Gut bevorwortet?« lachte der Regierungsrat und hielt das eben entbrannte Zündhölzchen so lange in der Hand, bis er es an den Fingern spürte und wegwarf; »gut bevorwortet? Da sieht man wieder euch unpraktische Weltverbesserer. Ihr glaubt, mit Ideen führt man die Sachen durch. Diplomatie, Freund, Diplomatie ists, die euch fehlt; ohne diese kommt ihr nie zu Etwas. Ich für meine Person gestehe, daß ich gar keinen Penchant für euern Verein habe. Es ist jetzt ein weichmüthiger Humanitätsrappel über die Welt gekommen, der das Leben horribel ennuyant macht. Ich habe nun einmal kein Spitalherz und will auch keines haben. Als die Vereinssache im Collegium vorkam, ich war Referent, zuckte ich mitleidig die Achseln. Der Präsident ist gar kein böser Mann, nur ist ihm angst und bang vor allem Neuen; es ist ihm unheimlich. Es war aber auch gefehlt von euch, daß lauter prononcirte Liberale sich an die Spitze stellten.«
    »Warum? Die Sache hat ja nichts mit Politik zu schaffen?«
    »Allerdings. Glaubt ihr, man wird euch Gelegenheit geben, euch als Wohlthäter der Menschheit hinzustellen und unter den Proletariern Partei zu gewinnen?«
    »Nun? Wie ging die Sache denn doch durch?«
    »Wie gesagt, ich zuckte die Achseln, und das Finale meines Referats war: Wie werden sich die Herren die Finger verbrennen! Wie werden sie einsehen lernen, daß sich die Welt nicht nach ihren Utopien constituiren läßt. Das gäbe eine gute Schule für sie. Der Präsident lächelte. Nun war die Sache gewonnen. Ich erklärte noch, daß, falls der Verein die Genehmigung erhalte, ich bereit sei, als Regierungsbevollmächtigter demselben zu präsidiren und ihn zu überwachen. So wurde euch die Sache gewährt, um euch einen Possen damit zu spielen.«
    »Welchen Grund hattest du aber, eine so seine Intrigue anzulegen für eine Sache, die dich nicht interessirt?«
    Der Regierungsrat faßte die Hand des Advokaten und sagte: »Du bist und bleibst eine ehrliche Haut, aber auch dir gegenüber mußte ich intriguiren. Seitdem ich von der Kreisregierung hieher versetzt wurde, thut es mir immer leid, daß unsere beiderseitige öffentliche Stellung eine vertrautere Socialität fast nicht zuläßt; die Parteiungen haben Alles zerrissen. Lache nicht! In der Verbrechercolonie finden wir einen Indifferenzpunkt, wo wir uns aneinander anschließen, ohne daß Einer sich bei seiner Partei zu compromittiren braucht. Wir haben in Heidelberg den Freundschaftsbund geschlossen, er soll aufrecht erhalten werden. Nicht wahr, alter Cherusker, wir bleiben die Alten?«
    Die beiden Jugendfreunde drückten sich die Hände. Dem Advokaten kam diese Mischung von Treuherzigkeit und Schlauheit, die er eben vernommen, doch sonderbar vor; er wendete sich indeß immer gern nach der idealen, sonnenbeschienenen Seite an der Frucht des Lebensbaumes und erwiderte:
    »Wir haben noch so viele Berührungspunkte, noch so viel gemeinsames Streben, daran wollen wir uns halten, das Andere bei Seite liegen lassen.«
    »Ja, das wollen wir.«
    »Du bist auch besser, als du dich gibst,« bemerkte

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