Schwarzwaelder Dorfgeschichten
haben mir nichts glaubt. Die Löffel hab' ich eingestanden. Hätt' ich sollen meinen Vater in's Unglück bringen? Ich hab' ihm ja jed' Neujahr geschrieben, daß ich ihm mein Leben verdank' und daß ich's ihm auch opfern will, wenn's nöthig ist. Und ich hab' mir auch Vorwürf' gemacht, daß ich mein Geld auf Zinsen gelegt hab' und mein Vater hat derweil Noth gelitten. Kurzum, ich bin in's Spinnhaus kommen.«
So hatte Magdalene erzählt und die Beiden waren lange still, bis Jakob fragte:
»Wo ist denn jetzt dein Vater?«
»Ich weiß es nicht.«
Jakob faßte ihre Hand, ein doppelzackiger Blitz leuchtete von jenseits und Jakob sagte:
»Du hast's gut, du bist unschuldig, aber ich – mein' Geschicht' ist ganz anders.«
»Das schad't nichts,« erwiderte Magdalene, »du hast dafür büßt, und ich seh' dir's an den Augen ab, du hast doch ein gut Gemüth.«
Wiederum leuchtete es hell von jenseits und hell aus den Augen der Beiden. Das war ein grelles, seltsames Licht, mit dem der Blitz über die Angesichter der Beiden streifte; sie schauten sich an und standen wie in glührothen Flammen; und doch war es im selben Augenblicke wieder fahl und grünlichweiß, todtenartig. Sie drückten die Augen zu. Jakob umarmte Magdalene und preßte sie fest an sich.
»Du bist ein prächtig Mädle, wenn ich nur ein anderer Bursch wär'!« stöhnte Jakob.
»Es ist schon spät und ich muß gehen,« sagte Magdalene, »und ich hab' mein' Henn' doch nicht gefunden.«
»Ja,« sagte Jakob, »schlaf wohl, und wir sehen uns schon mehr und ... hab Geduld mit mir. Gut' Nacht.«
Er schlüpfte jetzt nicht mehr mühselig durch die Lücke des Zauns, er sprang behend über den ganzen weg. Magdalene ging stillsinnend heimwärts; sie vergaß, ihrer Henne zu locken.
Am andern Morgen fand sich die schwarze Henne bei den Kühen im Stall eingesperrt. Es ist nicht bekannt, wie sie dahin gekommen und ob Jemand davon gewußt.
Eine erste Liebe und eine zweite.
Wonnig schaute Magdalene andern Morgens zum Fenster hinaus, der Himmel war so schön blau, sie hätte hineinfliegen mögen, so leicht war's ihr. Die Luft war frisch und klar, auf dem Nußbaum in des Jakoben Garten glitzerten die Tropfen; es hatte heute Nacht stark gewittert. Magdalene hatte den Sturm und das Gewitter verschlafen. Träumerisch hörte sie dem Buchfinken auf der Dachfirste gegenüber zu, der auch schon so früh auf war und schon was zu singen hatte; sie wollte ihn nachahmen und necken, verstand es aber nicht. Sie ging an die Arbeit und sang beim Holzhereintragen, im Stall und in der Küche, bis die Bäckenfrau durch das Schiebfensterchen rief, sie soll still sein, man könne ja nicht schlafen. Sie war still, aber innerlich war sie den ganzen Tag voll Jubel und Seligkeit; es kam ihr immer vor, als ob heut nochmals Sonntag sein müßte. Auf dem Speicher und in der Küche faltete sie oft die Hände und drückte sie fest aufeinander; sie sprach kein Wort, aber ihre ganze Seele war ein Gebet voll Dank und Liebe. Jetzt eilt sie hinauf in ihre Kammer, aber sie sieht nicht mehr nach der schönen Haube und dem weißen Goller, sondern nach ihrem Sparbüchlein, das ihr Doctor Heister frei gemacht hatte. Sie drückt das Büchlein an's Herz und liest darin: sie hat mehr als hundert Gulden ausstehen und das schon bald vier Jahre. Sie kann gut kopfrechnen, kann aber doch die Zinsen nicht vollständig herausbringen, weil noch etwas am Jahr fehlt und das Geld auch nach und nach eingelegt wurde. Es ist zwar eine Zinsenberechnung beigedruckt, aber da kann man jetzt nicht draus klug werden. Sie überlegt, ob es nicht besser sei, wenn sie das Büchlein Jakob zur Aufbewahrung gebe; ein Mann kann eher darauf Acht haben. Es wird ihr auf Einmal angst und bang, das Büchlein könne abhanden kommen; sie legt es zu unterst der Truhe und verschließt sie sorgfältig. Sie überlegt, was man mit dem Gelde anfange. Ein Aeckerchen zu kaufen, dafür langt's nicht und trägt's nicht genug; ja, das ist's: ein gutes Pferd und ein Wägelchen, das kriegt man dafür. Jakob kann gut mit dem Fuhrwerk umgehen, er fährt all' Woch' zweimal als Bote nach der Hauptstadt und hat einen schönen Verdienst. Freilich, das ist dumm, daß er soviel von Haus weg ist, aber es geht nicht anders, und er kommt ja wieder und die Freud' ist um so größer.
Mit einem Wort, es war Magdalenen »wieseleswohl«.
Jakob war auch schon früh auf, er spannte einem Frachtfuhrmann vor. Er war heute auf dem Wege wieder sehr wortkarg, ging immer
Weitere Kostenlose Bücher