Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Magdalene neben dem Kleebündel im Felde stehen sah, eine Aehnlichkeit zwischen ihr und Frieder bemerkte. Seitdem Frieder jene Löffel genommen und Magdalene mit ihm gerungen hatte, seitdem hatte sie kein Wort mit ihm gesprochen. Sie hatte ihn zum Erstenmale wiedergesehen, als er damals mit Jakob ging; sie war im Tiefsten erschrocken und wie durch ein geheimes Einverständniß thaten nun die Beiden, als ob sie sich nicht kennten. Einmal am Brunnen hatte er mit den andern Mädchen gescherzt und redete auch Magdalene an, sie aber antwortete nicht und ging davon.
Um nun das Maß alles Unglücks voll zu machen, war jetzt auch Frieder wieder in das Dorf gekommen; Magdalene hatte mit ihm gesprochen, sie konnte sich ihm nicht mehr entziehen.
Jetzt hatte sie wiederum Jemand, der ihr für alle Zeiten angehörte. Magdalene war tief traurig.
Als sie am Abend Reisig hackte hinter dem Hause, kam Frieder freundlich auf sie zu und sagte: »Guten Abend Magdalene.« Sie stand wie festgebannt, das Küchenbeil ward ihr plötzlich so schwer, daß sie es nicht mehr aufheben konnte. Sie ließ Frieder reden was er wollte; sie hörte ihn nicht und stierte ihn grausenhaft an. Regungslos stand sie da. Plötzlich fuhr es ihr wie eine wilde Ahnung durch die Seele; sie hob das Beil empor und stand wie ein Racheengel da und rief:
»Gebt das Geld her! Ihr habt es dem Bäck gestohlen.«
Sie riß mit der linken Hand dem Frieder die Mütze vom Kopfe; an dieser hatte sie ihn wieder erkannt, er hatte sie jenen Abend tief in die Stirne gedrückt. Furchtbar drohend stand sie da, und ihre Lippen bebten.
Frieder grinste sie höhnisch an und sagte: »Probir's nur, hau zu, hack mir das Beil in den Kopf, da, mach schnell; du bist ja in erster Ehe zur Welt kommen, im Kirchenbuche bin ich ja doch dein Vater nicht.«
Magdalene ließ die Arme sinken. Sie raffte schnell das kleingehackte Reisig zusammen und ging in's Haus. Frieder hob die weggeworfene Mütze auf, ballte sie wie fluchend in der Hand zusammen und ging gleichfalls davon.
Neue Ueberraschung! Ist der innerste Wunsch Magdalenens Wirklichkeit geworden? Dort kommt der Doktor Heister mit dem Buchmaier das Dorf herab; an ihn hatte Magdalene just gedacht, er konnte all die Wirrniß lösen, und – jetzt floh sie vor seinem Anblicke in das Haus und stand in der Küche und hatte keinen Athem, das Feuer anzublasen; die Thränen brannten in ihren Augen und wollten sich doch nicht lösen. Sie stand da und hielt sich die Stirn, Alles war ihr wie ein Traum: daß sie mit ihrem Vater gesprochen, daß Heister da war. – Eines aber stand fest: Frieder hatte sie von Neuem in's Unglück gebracht. Das erkannte sie mit innerster Zuversicht. Die Schnalle an der Mütze war ihr schon damals in der Nacht aufgefallen. Für sich selber durfte sie ein fremdes Verbrechen büßen, aber Jakob durfte sie nicht dulden lassen.
Was aber anfangen? – Dort der Vater, hier der Geliebte. Kalter Schauer und fliegende Hitze machten sie erbeben. Sie blies so heftig in das Feuer, daß sie das wilde Löckchen versengte.
Nach dem Abendessen machte sie sich eine Ausrede und ging in den Adler in die Küche. Sie mußte Gewißheit haben, ob Heister hier sei; sie traute sich nicht recht. Sie schaute durch das Schiebfensterchen in die Stube und – neues Wunder! Sie sah den Regierungsrath, den freundlich stolzen Mann, der früher so oft bei Heisters gewesen war. Bärbele, die Adlerwirthin, bestätigte aber auch, daß Heister da sei und soeben Pfannkuchen bestellt habe. Magdalene freute sich angeben zu können, daß er sie gern recht dünn und »rösch« gebacken esse; sie half schnell mit und rührte den Teig noch recht tüchtig durcheinander, damit das Gebäck auch »luck« sei, und sie ließ nicht nach bis man noch zwei Eier dazu that. Als endlich aufgetragen wurde, sagte sie Bärbele, es solle »dem Herrn« berichten, daß sie da sei und notwendig mit ihm zu reden habe. Kaum hatte sie dieß vorgebracht, wollte sie es widerrufen, es war aber zu spät; Bärbele stand bereits unter der offenen Thür, durch welche jetzt der Regierungsrath in die Küche kam und um ein Reisig bat, seine Pfeife auszuräumen, obgleich das eigens hierzu dienende Instrument, die sogenannte Amtspflege, drinnen in der Stube stand. Er stutzte als er Magdalene sah, und sie am Kinne fassend sagte er:
»Du siehst ja recht übel aus. Nicht wahr, in der Stadt ist's doch besser?«
Magdalene wollte vor Furcht und Scheu in den Boden sinken, aber Arbeit hilft aus allen
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