Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Geiste, predigte von Entsagung und einziger Hoffnung auf Jenseits und befand sich dabei recht wohl und reichlich genährt von seiner Besoldung hienieden.
Jakob konnte um so leichter seinen Anmahnungen widerstehen, da er sich vollkommen schuldlos fühlte, und doch kam bisweilen auch über ihn das trübe Herbstgefühl von draußen. Er wollte Erquickung in den aufgedrängten Traktätchen suchen, aber diese Blätter waren gleichfalls herbstlich welk und priesen den Winter, den Tod aller Natur, als das einzig wahre Leben.
Eines Mittags ging Magdalene vor das Dorf hinaus nach der Hanfbreche.
Der Nebel hatte sich gesenkt und glitzerte auf Gras und Stoppeln, eine erfrischend feuchte Luft wehte; die wilden Buben hatten da und dort eine Lücke in den Zaun gerissen, um schneller einen vergessenen Apfel vom Baume zu werfen; von allen Seiten hörte man Schellengeläute der weidenden Kühe und Peitschenknallen der Hüter; oben an der Halde stand ein Knabe mit der Peitsche neben einem Feuer und sang lustig in die Welt hinein, von fernher hörte man das Knattern der Hanfbrechen; im Buchwäldle knallte ein Schuß, und angstvoll zwitschernd flog hier aus der Hecke ein Schwarm feiger Spatzen, die doch Niemand eines Schusses werth erachtete.
Bunt schwärmte es noch überall draußen, als müßte man sich tummeln, ehe der gestrenge Herr, der Winter, hier seine weiße Decke auflegt und Niemand zu Gaste kommen darf als seine Hauspfaffen, die Raben, die jetzt schon in großer Schaar dort auf dem Kirschbaume sitzen, still über die Zukunft des Reiches Rath halten und den Krähen in ihrer Lakaienlivree und den leichtfertigen Spatzen ihre Gunst und das Gnadenbrod verheißen. Die klugen und sicheren Raben! Sie lassen sich nicht schrecken, sie wittern die Tragweite eurer Waffen, sie lassen euch nahe herankommen und weichen erst dann ruhig aus, und kaum habt ihr den Rücken gewendet, sind sie wieder da. Die klugen und edelsinnigen Raben! Sie stehlen was blinkt und gleißt und das Menschenauge erfreut, und tragen es fort in ihre dunkeln Nester; nicht daß sie sich selber dessen erfreuen, sondern nur daß es die Menschen entbehren. Die klugen und freien Raben! Sie kennen nicht Vater- und nicht Muttergefühl.
Das wäre nun so recht ein Tag zu stillen, endlosen Träumereien, Magdalene ist aber nicht dazu aufgelegt; sie dachte nur eine Weile darüber nach, warum man von Rabenvater und Rabenmutter spricht, und schritt dann rasch zur Hanfbreche.
Beim Hanfbrechen hilft immer eine große Anzahl dem, der grade heute an der Reihe ist. Der Hanf wird über dem in den Rain gegrabenen Heerd, die Darre, noch schnell gedörrt und dann zwischen der einfachen Walke aus scharfschneidigem Holze zu Werg verarbeitet. Je toller das Geklapper der vielen Brechen ist, um so mehr fühlt man sich ermuthigt, seine Stimme laut zu erheben zu allerlei Gespräch. Da wird denn auch manches Verhältniß und mancher Charakter tüchtig zu Werg verarbeitet, daß die Häcksel davon fliegen.
Magdalene hatte sich mit ihrer Hanfbreche an das äußerste Ende gestellt und man ließ sie in Ruhe, sie war zu unglücklich für den Spott; auch war des Kilians Lenorle, für die man heute arbeitete, ihre Beschützerin. Bald aber wurde sie aus ihrer Ruhe herausgerissen. Es ist ein altes Herkommen der Hanfbrecherinnen, daß Jeder, der des Weges daher kommt, ihnen ein Trinkgeld geben muß. Sie gehen dem Ankommenden entgegen, »fangen ihn im Hanf« und streuen ihm Häckerling vor die Füße, und wenn er Nichts geben will, so wünschen sie ihm, daß er nie ruhig im Bette liegen könne, sondern immer Häckerlinge spüre; die Anderen kommen dann herbei und überstreuen ihn von allen Seiten mit Häckerling.
Eben sah man einen Mann des Weges kommen, Alles lachte, es war Frieder. Magdalene, die zuletzt gekommen war, mußte ihm »streuen«, wie man's nennt, sie wollte nicht; nur als das heftige Schelten Aller ausbrach, verstand sie sich dazu. Sie ging Frieder weit entgegen, weiter als Sitte war, und sagte, mit niedergeschlagenen Augen den Häckerling wegwerfend:
»Vater, gebt mir was, daß ich Ruh' hab'.«
Frieder griff in die Tasche und gab ihr einen ganzen Sechsbätzner. Das war nun ein Hallo, als das Geld kam. Man ließ es auf einen Stein fallen, es klang wirklich echt; alsbald wurde ein Knabe fortgeschickt, um Wein zu holen.
Frieder hatte sich wieder davon gemacht und Magdalene arbeitete still fort.
War Frieder wirklich ihr Vater? Leider war er's. Jakob hatte Recht, da er damals, als er
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