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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Verlegenheiten. Sie nahm schnell der Magd die Gabel ab und wendete den Pfannkuchen in dem brodelnden Schmalze, indem sie dabei sagte:
    »Man muß sich an Alles gewöhnen, Herr Oberamtsrichter.«
    Der Regierungsrath, dessen Beförderung noch nicht bis zu Magdalene bekannt geworden war, entfernte sich bald und sagte noch zum Abschiede:
    »Ich will dem Doktor Heister sagen, daß du da bist, ich will ihn herausschicken; oder willst du hereinkommen?«
    »Ach nein, nein.«
    Das machte sich nun allerdings gut, denn Bärbele hatte den Muth nicht, den Auftrag auszurichten; auch fand sie es unschicklich.
    Nun aber ward es Magdalene plötzlich höllenangst. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut den edlen Mann wieder zu sehen, Trost und Hülfe bei ihm zu suchen, und jetzt ergriff sie namenlose Furcht. Sie eilte rasch aus der Küche fort, die Treppe hinab und nach Hause. Sie hätte allerdings auch vergebens gewartet; denn drinnen in dem Verschlägle – der Honoratiorenstube, die durch eine Bretterwand von der großen Wirthsstube getrennt war – sagte der Regierungsrat:
    »Ich habe so eben die lustige Magd gesehen, die vor einigen Jahren bei dir diente. Es ist jämmerlich, wie sie aussieht. Draußen in der Küche steht sie. Sie hat ihrem Herzallerliebsten, dem schmucken Postillon, zu einem Diebstahle verholfen. Es gibt allerlei Connexionen in der Welt. Erinnerst du dich noch des Burschen? Der wollte, daß kein anderer Sträfling außer ihm in's Dorf komme, der traute den wilden Katzen nicht. Unser Land wäre aber zu klein, wenn man jeden wilden Schößling in ein besonderes Terrain versetzen wollte; wir müßten die Prairien von Südamerika haben.«
    »Das wäre nicht nöthig,« erwiederte Heister. »Bis auf die Verbrecher erstreckt sich das Uebel, das aus der Zerstückelung Deutschlands kommt. In einem großen einheitlichen Lande ist es einem Menschen, der einen Fehltritt begangen hat, leichter möglich, fern von dem Schauplatze seines Falles und doch innerhalb des Vaterlandes, bewacht und doch ungekannt ein neues Leben zu beginnen.«
    »Deliciös!« rief der Regierungsrath, »du kannst Aufsehen damit machen, du kannst ein Patent darauf lösen, diesen teleologischen Beweis von dem nothwendigen Dasein der deutschen Einheit gefunden zu haben.«
    Eine längere Pause trat ein. Man merkte es, die beiden Freunde – so nannten sie sich noch immer – waren verstimmt, sich hier gefunden zu haben. Sie verhehlten einander den Zweck ihrer Reise, und doch wußte Jeder den des Andern.
    »Meine Herbstfahrt liefert mir prächtige Ausbeute,« begann der Regierungsrat wieder. »Ich habe ganz magnifique Cabinetsstücke aus der Roccocozeit gefunden und für einen Spottpreis gekauft. Ich kann jetzt noch ein viertes Zimmer nach dem Geschmack der Renaissance meubliren.«
    Heister lächelte innerlich über die Verschlagenheit seines Freundes, aber er fühlte heute auch die Lust, diplomatisch mit ihm zu spielen wie die Katze mit der Maus. Er fühlte sich so sicher in seiner wirklichen Sendung und schob eine andere in den Vordergrund, indem er vorgab, als Ausschußmitglied des Vereins für entlassene Sträflinge die Gegend zu bereisen, um nach den Pflegebefohlenen zu sehen. So spielten die beiden Freunde Versteckens miteinander, daß der Buchmaier, der dabei saß, verwundert drein sah.
    »Ah,« nahm der Regierungsrath wieder das Wort, »bald hätte ich vergessen dir zu gratuliren. Herr Direktor; du bist ja in das Direktorium der Eisenbahn gewählt worden. Da sieht man eben doch wo ihr Liberale hinauswollt. Darum habt ihr's dahin gebracht, daß die Eisenbahn nicht Staatseigenthum wird, damit ihr auch Aemter zu vergeben habt und auch Titel. Nicht wahr, so ein Titel schmeckt doch gut?«
    »Allerdings,« erwiderte Heister, zwar lächelnd aber doch etwas gereizt, »wir haben es auf den Ruin der Titel abgesehen; der Nimbus fällt. Und dann: euer allmächtiger Staat soll nicht noch neue Macht aufhäufen, um wieder von oben bis herunter durch Aemtchen und Versorgungen einen ganzen Troß kirre zu machen.«
    »Da sieht man wieder euch Kurzsichtige, die ihr euch Liberale nennt,« entgegnete der Regierungsrath. »Mag der Staat nicht so sein wie er sollte – was ich gern in manchen Beziehungen zugebe – so verkennt ihr doch alle Principien des Staatslebens, wenn ihr darauf ausgeht, die Staatsmacht zu schmälern und zu spalten. Bekommt ihr einmal einen Staat, wie ihr ihn wollt, so habt ihr mit diesen Grundsätzen ein hölzernes Schwert, das nicht hauen und nicht

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