Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
wollten auf der Hochbux die in Straßburg abgefeuerten Siegesschüsse gehört haben; das sollte kommende große Noth anzeigen. Freilich war damals leicht prophezeien, daß Alles drunter und drüber gehen werde.
    Zum Feldzug nach Rußland wurde mit aller Macht gerüstet. Auch der Philipp und der Kaspar, die beiden ältesten Söhne des Schloßbauern, mußten mit in den Krieg; ihr Vater wäre lieber selber mitgezogen, denn ihm war Alles verleidet, er sah seine beiden Söhne mit einem Stumpfsinn und einer Gleichgültigkeit scheiden, wie wenn einer sagt: Mir ist alles eins, komm' was da wolle.
    Der Philipp und der Kaspar sind wahrscheinlich im russischen Schnee begraben, man hat nie mehr etwas von ihnen gehört; nur das eine hat der General Hügel oft erzählt: Auf dem Rückzuge von Moskau aus sah er einen Soldaten, der etwas abseits ging und dem die Kälte oder die Noth und das Heimweh, oder vielleicht Alles zusammen, die Thränen stromweise über die Backen herunterrinnen machte. Der General ritt auf ihn zu und fragte ihn freundlich: »Woher?«
    »I bin des Schloßbauern Bua vom Schwarzwald do obe ra!« erwiderte der Soldat, nach der Seite zu deutend, als ob seines Vaters Haus nur einen Büchsenschuß weit dort um die Ecke läge. Der General mußte über die Antwort des Soldaten, der in Gedanken so nahe zu Hause war, so herzlich lachen, daß auch ihm Thränen über die Backen liefen, die aber in seinem langen Schnurrbarte als Eistropfen hängen blieben.
    Das ist Alles, was die Geschichte über das Leben und Ende der beiden Sohne des Schloßbauern berichtet.
    Unterdessen war zu Hause Freud und Leid gemischt. Wenn ein Unglück oder ein trauriger Zustand lange dauert, richtet man sich zwischen Thür und Angel wohnlich ein; ein Mensch, wenn er gesund ist, kann nicht lange dem Schmerze nachhängen, die alte Lust des Lebens steigt bald wieder in ihm auf. So wurden zu Hause Kirchweihen und Hochzeiten gefeiert, während draußen in fernen Landen Hunderte der nächsten Angehörigen vom Tode in sein kaltes Bett gelegt wurden.
    Agathle, die älteste Tochter des Schloßbauern, war die Braut des Rößlewirths in Eutingen geworden; der Schloßbauer, der mit dem ganzen Dorfe verfeindet war, mußte seine Kinder außerhalb des Orts verheirathen.
    Vefele sah am Hochzeitstage der Schwester gar prächtig aus. Die Schwestern hatten im Dorfe keinen weitern Umgang, und so war Vefele die einzige »Gespiele« der Braut und ganz so wie sie gekleidet. Es hatte die »Schappel« – eine Krone von flimmernden Silberflittern – auf dem Haupte, in die beiden den Rücken hinabhängenden Zöpfe waren handbreite, ziegelrothe Seidenbänder eingeflochten, die fast bis auf den Boden hinabreichten; das ist die besondere Zierde einer Jungfrau, denn nur eine solche darf rothe Bänder im Haare tragen; ein Mädchen, »das sich verfehlt hat«, muß weiße leinene Bänder tragen. Um den Hals hatte Vefele die vielreihige Granatenschnur, deren dunkle Farbe die auffallende Zartheit der Haut noch mehr hervorhob; über dem weißen Spitzenkoller ragte ein frischer Blumenstrauß aus dem scharlachrothen Mieder hervor, das zu beiden Seiten von silbernen Agraffen, durch die sich Silberkettchen schlangen, gehalten war; der um und um weitfaltige blaue »Wiflingrock«, der bis an die Kniee reichte, war zur Hälfte von der weißen Schürze bedeckt; überall, an den Schultern wie an den Enden der kurzen Hemdärmel, flatterten rothe Bänder. Die »Stöckleschuhe« mit den hohen hölzernen Absätzen in der Mitte, gaben dem ohnedieß schwankenden Gange Vefele's noch etwas Unsicheres. Dennoch, als es unter dem Klange der Musik und dem Abfeuern der Pistolen neben seiner Schwester zur Kirche ging, erschien Vefele so liebreizend, daß jeder es gerne als die Braut angesehen hätte. –
    Wer weiß, wo die beiden Söhne des Schloßbauern waren, während dieser mit den Seinen fröhlich beim Hochzeitsschmause saß! Niemand gedachte ihrer. Nur Vefele schaute einmal lange unverrückt drein; es war, als ob sie nichts von alledem sehe, was um sie her vorging; als ob ihr Blick durch die Wände dringe und suchend hinausschweife ins Unendliche – sie gedachte ihrer fernen Brüder.
    Kaum zwei Monate später feierte auch Melchior, der dritte Sohn des Schloßbauern, seine Hochzeit. Er hatte auf des Agathles Hochzeit seine Braut, die einzige Tochter des Engelwirths von Ergenzingen, kennen gelernt und sich mit ihr versprochen. Obgleich Melchior noch sehr jung und kaum ein Jahr älter war als Vefele,

Weitere Kostenlose Bücher