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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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beschleunigte man doch die Hochzeit, denn man fürchtete, er müsse sonst auch mit in den Krieg. Melchior zog nun auch fort aus dem Dorfe, und Vefele blieb allein im Hause. Die Mutter kränkelte, ein stiller Gram zehrte an ihrem Leben. Sie wollte ihren Mann immer dazu bringen, daß er Alles verkaufe und aus dem Dorfe weg zu einem seiner Kinder zöge; der Schloßbauer aber gab ihr so heftige Antworten, daß sie nicht mehr davon reden durfte. Da hatte das Vefele traurige Zeiten, denn es hatte immer zu vertuschen und zu begütigen. Die Kränklichkeit machte die Mutter noch immer gereizter und unnachgiebiger, und sie sagte oft: wenn ihr Vater noch lebte, würde sie ihrem Manne auf und davon gehen. – Diese Leute sahen doch schon bald das zweite Geschlecht aus ihrer Ehe hervorgehen, und noch konnten sie sich nicht in einander finden; ja, je älter sie wurden, um so mehr schien sich eine Uebelnehmerei, eine heftige Bitterkeit zwischen ihnen kundzugeben. Das Vefele wußte zwar immer wieder den Frieden herzustellen; es war dann vergnügt und munter, aber im stillen weinte es oft bitterlich über das traurige Schicksal seiner Eltern und über sein eigenes, und dann gelobte es sich heilig, nie zu heirathen. Es kannte ja ohnedieß niemand, dem es sein Leben hätte widmen mögen, und dann sah es wohl ein, wie nöthig es im elterlichen Hause sei, wenn nicht das Feuer zum Dache herausschlagen solle. Geschrieben steht: Gott ahndet die Sünde der Väter an den Kindern; das gilt am meisten von einer bösen Ehe. In dem Herzen ohne Kindesliebe nimmt gar leicht Trübseligkeit oder Verirrung anderer Art Platz.
    Der Tod brachte die Mutter Vefele's bald zu ihrem Vater, und jetzt, nachdem seine Frau todt war, fühlte der Schloßbauer erst, wie viel ihm fehlte, wie lieb er doch im Grunde seines Herzens seine Frau gehabt hatte. Er grämte sich, daß er sie nicht nachgiebiger behandelt und daß er ihre Kränklichkeit so oft für Verstellung angesehen hatte; jedes harte Wort, das er ihr gegeben, schnitt ihm tief durch die Seele; er hätte gern sein Leben drum gegeben, wenn er es wieder hätte zurückrufen können. So geht's. Statt im Leben freundlich und friedfertig einander zu tragen und zu erfreuen, grämen sich die meisten Menschen, wenn es zu spät ist, wenn der Tod die traulichen Lebensgefährten von der Seite gerissen hat; darum soll man sich lieben, solange man noch lebt, denn jede Stunde, die man in Unliebe verbringt, hat man sich und dem andern unwiederbringlich vom Leben geraubt.
    Der Schloßbauer ging des Sonntags nicht mehr nach der Stadt, sondern in die Kirche des Dorfes, denn neben der Kirche lag ja seine Frau begraben; er machte jedesmal den Umweg und ging über den Gottesacker. Es war, als ob er das Grab seiner Frau durch diesen sonntäglichen Besuch versöhnen wollte.
    Im Hause war Alles still, man hörte kein lautes Wort mehr, und das Vefele waltete sanft wie ein Friedensengel. Der Friede war da, aber die Freude fehlte doch: es war immer im Hause, wie wenn man jemand schmerzlich vermißte oder erwartete.
    Nach und nach fühlte sich der Schloßbauer durch das freundliche Walten Vefele's so wohl, daß er wieder neu auflebte; er that gar nichts ohne die Zustimmung »des Kindes«, er ließ es sogar meist allein über Alles verfügen, und wenn jemand etwas von ihm haben wollte, sagte er immer ruhig: »Da müsset Ihr eben mein Vefele fragen.«
    So lebten sie viele Jahre; Vefele hatte die erste Hälfte der zwanziger Jahre überschritten. Viele Freier stellten sich ein und hielten um seine Hand an, aber es sagte immer, daß es nicht heirathen wollte; der Vater gab ihm recht. Dann sagte er wieder: »Vefele, du bist zu fein für einen Bauersmann, und wenn ich meinen Proceß gewinn', ziehen wir in die Stadt, und ich geb' dir auch ein Simri voll Kronenthaler zum Heirathsgut, und dann kannst du unter den Herren-Leuten wählen.« Das Vefele lachte zwar, aber innerlich gab es seinem Vater doch darin recht, daß, wenn es auch heirathe, es doch nie und nimmer einen Bauern heirathen wolle. Es hatte ihre Leidenschaftlichkeit und Unversöhnlichkeit zu lange mit erduldet und hatte nun ein tiefes Vorurtheil gegen sie; es wähnte, in der Stadt, wo die Leute gesitteter und feiner wären, müßten sie auch besser und braver sein. Die vielen Kränkungen hatte es nur dadurch ertragen, daß es die Leute für zu roh und sich selber für etwas Besseres hielt, und indem es so immer mehr über das Bauernleben nachdachte, hielt es sich selber nicht nur für

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