Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Reinhard Lasten auf den Kopf, sie kehrten eben vom Felde heim und blieben stehen; der Collaborator würde sagen, dachte Reinhard lächelnd: das zeigt symbolisch oder typisch, daß das Volk durch das Lied die bedrückenden schweren Lasten vergißt! ... Nun ward auch noch der Collaborator in eine Ecke gestellt, es war offenbar, daß er das neue Lied aufschrieb.
Reinhard aß fortan wieder am Familientisch; er war doch erst jetzt wieder in seinen alten Verhältnissen. Mit Lorle sprach er oft und viel von dem fernen Freunde und daß sie allein im ganzen Dorf einen Menschen lieb hatten, den die Anderen vergaßen oder schmähten, das gab ihrem Verhältniß noch eine geheime Besonderheit. Es ergab sich nun, daß der Collaborator allerdings in seinem tiefen Aufruhr sich zu heftigen Aeußerungen eigentümlicher Art hatte hinreißen lassen; er hatte im Hause des alten Klaus ausgerufen: »man möchte an Gott verzweifeln, daß er die Sonne scheinen und die Bäume wachsen läßt, daß er's duldet, daß man ihm eine Kirche erbaut, während die Menschen solches Elend ihrer Brüder ruhig mit ansehen.« Lorle entschuldigte ihn immer bis auf's Aeußerste und beklagte, daß die Leute, denen er doch nur Gutes gethan, ihn dafür jetzt beim Pfarrer verläumdet und angegeben hätten. Sie gönnte sich jetzt auch fast keine Ruhe und keinen Genuß mehr, sie wollte überall im ganzen Dorfe wo es dessen bedurfte beispringen und helfen.
Reinhard war überaus fleißig und, wie das immer Ursache und Wirkung des schöpferischen Fleißes, auch überaus lustig; er war zu Scherz und Schelmerei aller Art aufgelegt, es schien als ob das ganze Haus nur ihm gehörte. Man konnte nicht recht sagen was er trieb; in den Stunden, in denen er nicht arbeitete, war's eben als ob ein Kobold umherrenne und Alles lachen und springen mache.
Der Wadeleswirth sagte oft gar bedächtig: »Nur stet, lasset mir nur das Haus über'm Kopf stehen;« zwei Minuten darauf mußte er aber selbst ganz ungewöhnliche Sprünge machen. Reinhard verstand nämlich zweierlei Künste besonders: zuerst die Bauchrednerei; er brachte einst den Wadeleswirth so in Gang, wie sich dessen Beine seit Jahren nicht erinnern konnten, denn er ahmte die Stimme Lorle's nach, die vom Speicher nach Hülfe rief. Ueber ein anderes Kunststück Reinhard's rief Bärbel einmal alle Hausbewohner zusammen. Die jungen Schweinchen, die man erst vor Kurzem eingethan, grunzten plötzlich auf dem obersten Speicher, und als man hinaufkam, hatte Reinhard blos die Stimmen der bescheidenen Geschöpfe nachgeahmt. Man konnte dem übermüthigen Gesellen nicht gram sein und Lorle sagte einmal:
»In unserm Haus dürfet Ihr die Späß' machen, aber nur nicht vor andern Leuten, die haben sonst keinen Respect vor Euch.«
Reinhard war von diesem Augenblicke an ruhiger und nur wenn die Gelegenheit gar zu lockend war, vollführte er noch einen Schabernack.
Lorle war viel im Dorf, aber nicht zu Hause, sondern bei der Mutter Wendelins, die mit dem sechsten Kinde, einem Knaben, niedergekommen war. Reinhard hatte sein Bild rasch untermalt und wollte sich nun, so lange die Farben trockneten, Ruhe, das heißt freies Umherschweifen in Wald und Feld gönnen. Er putzte seine Büchse, um auf die Jagd zu gehen, aber er kam nicht dazu, denn schnell drängte sich ein anderes Bild auf die Staffelei und mit frischem Eifer vollendete er die Farbenskizze zu demselben, es war das versprochene Altarbild. Reinhard hatte die Hochzeit zu Canä dazu gewählt und malte mit fast immer lächelndem Antlitz, denn er hatte die Figuren aus dem Dorf genommen, die er gar nicht mit langen Bärten und Talaren verkleiden wollte; es war eine einfache deutsche Bauernhochzeit, unter die der Heiland trat: Stephan war der Bräutigam, die Braut aber sah nicht Vroni ähnlich, der Wadeleswirth und der Hohlmüller nahmen sich als Schwiegerväter stattlich aus. Reinhard pfiff allerlei lustige Volkslieder während er malte, und als er einmal das Ineinandertönen der Farben aus der Ferne betrachtete, dachte er vor sich hin: »Wie würde sich der Collaborator freuen, wenn er sähe, wie ich unser Bauernleben dem altjüdischen als Kukuksei ins Nest practizire. Was könnte er da für culturgeschichtliche Bemerkungen machen! Wie würde er mir beweisen, daß auch Shakspeare dadurch Leben gewonnen, daß er die Römer zu Engländern gemacht.«
Nach Vollendung der Farbenskizze kam dennoch ein Mißmuth über Reinhard; ihm bangte wie so oft vor der Ausführung, er hatte die Freude
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