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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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des Schaffens vollauf bei dem Entwurfe genossen.
    Es liegt eine tiefe Erfrischung in dem drängenden Treiben, das die Künstlerseele tagtäglich zu neuen Gebilden erweckt; die wahre, nachhaltige Erquickung liegt aber nur in der Treue, in der unablässigen, sorgsamen Vollendung dessen, was man in der Stunde der Weihe empfangen und begonnen. In dieser Treue ersteht die Schaffensfreude, wiedergeboren durch den Willen, erhöht und verklärt.
    Reinhard gelobte sich Treue in seinem Berufe und doch ging er stets mit bewegtem Herzen als suche er Etwas, als müsse er ein Ungeahntes finden, als stehe er auf der Schwelle einer Offenbarung, deren Pforten sich plötzlich aufthun und Wunder schauen lassen. Er wandelte auf dem Boden der gewohnten Welt wie auf knospenden Geheimnissen, und doch war ihm wiederum so wohl in Wald und Flur; Baum und Strauch und Gras, Alles stand ihm so nah wie noch nie, er lebte ihr Leben mit, er hatte nicht Auge genug für diese unendlich reiche Welt, die sich aufthat als ginge er mit ihr eben aus der Hand des Schöpfers hervor; Alles war ihm wie neu, als sehe er's zum Erstenmale. Er stand einst vor einer Schlehdornhecke und versank in ihrem Anschauen in tiefe Betrachtung: Wie das hier aus dem Boden steigt, Aeste treibt Frucht und Blatt ansetzt, wie schön gezackt und glänzend, und der Winter kommt, es stirbt und fällt und grünt wieder – Alles, das einfachste Naturleben war Reinhard ein neues Heiligthum geworden. »Was soll aus mir werden?« sagte er dann, indem er zu sich zurückkehrte. »Heilige Natur! Mache aus mir was du willst, laß mich nur kein verpfuschtes Wesen sein, irr in sich – Ich will dir gehorchen.«
    So schwellte namenloses Sehnen die Brust Reinhards und selbst im Hause saß er oft stundenlang wie mit offenen Augen träumend. Die Leute schüttelten den Kopf über ihn, sie kannten ihn gar nicht mehr; aber Jedes in der Welt hat zu viel für sich zu thun, um den Gedanken eines Andern nachgehen zu können, zumal wenn diese eben der Art sind, daß sie sich nicht fassen lassen. Reinhard machte den Versuch, sich aus seinen Träumereien herauszureißen, er ging auf die Jagd; das erheischte ein zusammengehaltenes, geschlossenes Wesen und festen Blick nach außen. Eines Mittags kehrte Reinhard mit der Büchse auf der Schulter und zwei Birkhühnern in der Tasche nach Hause, da sah er Lorle unter der Linde sitzen mit den zwei jüngeren Geschwistern Wendelin's. Das kaum einjährige Kind stand auf dem Schoße des Mädchens aufrecht und Lorle schnalzte mit den Fingern und lachte und koste, um das Kind zu erheitern; der Knabe der ihr zu Füßen stand, schaute aber trotzig drein. Lorle nickte dem herzutretenden Reinhard freundlich zu und fuhr dann fort, mit dem Kinde zu spielen, indem sie sang:
     
    Ninele, Nanele,
    Wägele, Stroh,
    's Kätzle ist g'storbe,
    's Mäusle ist froh.
     
    Reinhard setzte sich auf einen Baumstamm Lorle gegenüber und starrte drein, sie ließ ihn gewähren, sie war's gewohnt, daß er sie oft anstierte, sie fragte nur:
    »Wird denn der Herr Reihenmaier nicht schreiben?«
    »Nein,« sagte Reinhard.
    Das war doch nur ein einfaches Nein, aber in dem Tone der Stimme lag ein Ausdruck, den die liebevollsten Worte nicht ersetzen mochten. Plötzlich fing der Knabe zu Füßen Lorle's an zu weinen und schrie: »Ich will heim.«
    »Bleib',« beschwichtigte Lorle, »dein' Mutter schlaft und du kannst nicht heim.« Auf ein Rothkehlchen deutend, das vor ihnen umherhüpfte, sagte sie: »Guck einmal, was der Vogel ein weißes Unterwämmschen anhat, paß auf, wenn er auffliegt; scht!« Der Vogel flog auf und man sah die weißen Federn unter seinem Flügel. »Hast's gesehen?« fragte Lorle, der Knabe ließ sich aber dadurch nicht zerstreuen, und erst als er das Versprechen erhielt, daß ihm Lorle eine Geschichte erzähle, schluchzte er still. Lorle trocknete ihm das thränennasse Gesicht und erzählte nun eine jener eigentlich inhaltlosen Geschichten, bei denen aber Ton und Geberde eine ganze Seele voll Liebe ausspricht und erweckt. Es wurde weiter nichts berichtet, als daß ein Knabe eine schöne Kirsche hatte, die ihm ein Vogel wegnehmen wollte, die Mutter aber den Vogel verscheuchte.
    Lorle und ihr Zuhörer lachten darüber laut auf, es waren eben Kinder, die sich über sich selbst und mit einander freuten. Der Knabe wollte aber immer wissen, wie es weiter ging, und fragte immer: »Und dann?« Bis Lorle sagte: »Und dann? dann lassen wir die Hödel und die Gizle heraus.« Und so geschah

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