Schwarzwaelder Dorfgeschichten
es auch. Die Geis und die Zieglein wurden aus dem Stall geholt, Lorle freute sich wol eben so sehr an den Sprüngen derselben als die Kinder, die sie hütete.
Zu Hause lehnte Reinhard alle seine Bilder und Entwürfe mit dem Gesicht gegen die Wand; er wollte nichts sehen als ein Bild, das er im Geiste vor sich erschaute.
Am Abend hatte er im Stüble eine lange Unterhandlung mit dem Wadeleswirth, und besonders durch die Erinnerung an das großmüthig zurückgegebene Versprechen auf der Hohlmühle ward Reinhard willfahrt. Der Vater rief endlich seine Tochter herein und sagte:
»Lorle, da der Herr Reinhard braucht dich zum Abmalen für das Kirchenbild; willst du?«
»Für die Kirch'?« fragte Lorle, sie schaute um und auf, als grüßte sie ein fremdes Wesen hinter ihr und über ihr.
»Was guckst du so?« fragte der Vater.
»Nichts, ich hab' gemeint, es wär' Jemand hinter mir, ich weiß nicht.«
Der Vater begann wieder: »Die Mutter bleibt von morgen an die ganz' Woch' zu Haus, wir bekommen Drescher und da kann sie drauf Acht geben und auch bei euch sein. Willst du?«
»Ja,« sagte Lorle mit fester Stimme; auf ihrer Kammer aber weinte und betete sie die ganze Nacht; sie wußte nicht recht warum, es war ihr so wohl und so weh zu Herzen.
Auch Reinhard war die ganze Nacht voll Unruhe, und als er mit dem ersten Sonnenstrahl erwachte, sagte er laut vor sich hin: »Marienhaft! er hat Recht.« – Still verließ er dann das Haus, er schwang den Hut, um das Haupt in der Morgenluft zu kühlen, und stand noch einen Augenblick so da, als grüßte er die heilige Frühe. Am Kirchberge begegnete er dem Küster, der eben hinanging, um zur Frühmette zu läuten; er begleitete ihn und stieg den Thurm hinan, saß in der Glockenstube und schaute zur Lucke hinaus in's Weite. Drunten im Thale kämpften noch Sonne und Nebel, die Sonne aber ward bald Meister. In der Kirche begann die Orgel zu brausen und zu dröhnen, Reinhard saß hoch oben und dachte Unendliches.
Als die Kirche zu Ende war, kam der Küster und bat Reinhard hinabzusteigen, da er schließen müsse. Still ging Reinhard dahin, da begegnete ihm Lorle, die aus der Kirche kam.
»Ihr seid auch in der Kirch' gewesen?« sagte sie halb fragend.
»Ja, oben.«
Die Beiden konnten nicht reden, sie waren tief erschüttert, wie von einer überirdischen Macht erregt, und doch war es auch ihr eigener Wille.
Lorle sah blaß aus, die Mutter fürchtete, sie sei krank, da sie auch nichts über die Lippen brachte; Lorle konnte aber kaum eine Antwort geben, es war ihr als sollte sie gar nichts reden.
Nun endlich saß sie bei der Staffelei und Reinhard sagte: »Wir wollen lustig sein, warum denn traurig? Juhu!«
Er sagte: »wir wollen«, und konnte doch nicht, auch ihn ergriff es, wie wenn Jemand seine tiefste Seele gepackt hätte und festhielte.
»Meinet Ihr nicht auch, daß es eine Sünd' ist?« fragte Lorle, verschämt die Augen niederschlagend.
»Nein,« antwortete Reinhard wieder mit jenem herzinnigen Tone, und Lorle sah heiter auf; diese einfache Betheuerung genügte ihr vollkommen.
Die Mutter ging ab und zu, während Lorle ruhig da saß. Anfangs war Lorle stets in der peinlichsten Verlegenheit, und wenn Reinhard geflissentlich Scherze machte, fragte sie: »Darf ich denn auch lachen? Darf ich denn auch schwätzen? Saget's nur, ich will Euch nicht aufhalten.«
Reinhard versicherte, daß sie sich nur ganz natürlich benehmen solle, Eines aber bat er, sie möge sich nicht so viel mit der Hand in's Gesicht langen, worauf Lorle bemerkte: »Ihr habt Recht, ich merk's, ich hab' die üble Gewohnheit, ich will mir's gewiß abgewöhnen; aber es ist mir als wenn ich's im Gesicht spüren thät, daß Ihr mich jetzt da malet und jetzt da. Ich bin dumm, nicht wahr? Ihr dürfet's frei 'raus sagen, ich nehm' Euch nichts übel.«
Reinhard mußte an sich halten, Lorle nicht um den Hals zu fallen; die Mutter kam, stand von fern und hielt die Hände hart am Leibe, damit sie ja nicht vor Erstaunen das nasse Bild anrühre; sie konnte sich aber nicht genug verwundern, wie man Lorle schon ganz gut erkenne. – Es wurde ausgemacht, daß Niemand im Dorf etwas von der Sache erfahren solle bis zur Einweihung der Kirche.
Wie still und friedsam flossen nun die Stunden hin, in denen die Beiden bei einander waren. Von fern aus der Scheune hinter dem Hause vernahm man die Taktschläge der Drescher und von der Straße hörte man bisweilen ein Kind schreien, einen Wagen rollen; und wieder war Alles still und
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