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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Stimme zu übernehmen. Wohlgemuth kamen sie zu Hause an und merkten nicht, daß die Leute die Köpfe zusammensteckten und allerlei munkelten.
    Am andern Morgen stand Reinhard vor dem Bett des Collaborators und sagte: »Frischauf! du gehst mit, wir wandern ein paar Tage in's Gebirge; das wird dir das Blut auffrischen und ich kann doch nichts arbeiten, es gefällt mir nichts.«
    Der Aufgeforderte war ohne viel Zögern bereit, er hatte sich's zwar vorgesetzt, so viel als möglich sich in das Kleinleben des Dorfes zu versenken; nun sollte sich's ändern.
    Erkräftigende, sonnige Wandertage verlebten die beiden Freunde; wie der Himmel in ungetrübter Bläue über ihnen stand, so breitete sich auch eine gleiche einige Seelenstimmung über sie. Was der Eine that und vorschlug, war dem Andern lieb und erwünscht; nie wurde hin und her erörtert, und so hatte jeder Trunk und jeder Bissen den man genoß eine neue Würze, jedes Ruheplätzchen doppelte Erquickung. Freilich war der Collaborator noch immer der Nachgiebige, aber er war's nicht aus rücksichtsvoller Behandlung, sondern unmittelbar in freudiger Liebe. Da er es selten unterließ, einen gegenwärtigen Zustand mit einer allgemeinen Betrachtung zu begleiten, sagte er einmal: »Wie herrlich ist's, daß wir vom Morgen bis zum Abend beisammen sind. Ich bin oft gern allein der stillen Natur gegenüber, ist aber ein Freund zur Seite, so ist's eine höhere Wonne, unbewußt durchzieht mich die Empfindung, daß ich nicht nur mit der Natur, sondern auch mit den Menschen einig und in Frieden bin, sein möchte.« –
    Reinhard gab auf diese Rede seinem Freund einen derben Schlag auf die Schulter, er hätte ihn gern an's Herz gedrückt, aber diese Form seines Liebesausdruckes war ihm genehmer und dünkte ihn männlicher. –
    Sie kamen nun in eine geologisch höchst merkwürdige Gegend. Der Collaborator vergaß eine Weile all das menschliche Elend was ihn bedrückte, denn er machte in den Steinbrüchen manchen glücklichen Fund; er fand in einem Kalkbruch nicht nur einen Koprolith von seltener Vollkommenheit, sondern auch noch manche andere Seltenheit. Als er mehrere sehr schöne versteinerte Fischzähne gefunden, äußerte er seine eigenthümliche Empfindung, hier Ueberbleibsel einer alten Welt zu haben, die viele tausend Jahre älter ist als unsere Erde. Reinhard hörte solche Auseinandersetzungen gern an, denn ihm ward jetzt auf den Wegen die Entstehungsgeschichte unserer Erde eröffnet. Der Collaborator liebte es in komischen Darlegungen auseinanderzusetzen, wie dieser unser Erdball mehrmals durch's Examen gefallen, bis er den Doktor, den Menschen gemacht. Er wiederholte oft, daß die Geologie die einzige Wissenschaft sei, der er sich mit voller Lust widmen möchte, er liebte sie auch besonders, weil, wie er sagte: die Astronomie der Altgläubigkeit das Dach über'm Kopfe abgehoben und die Geologie ihr den Boden unter den Füßen weggezogen habe.
    Die Taschen des Collaborators füllten sich übermäßig, er mußte manche schöne Versteinerung, deren Fund ihn ganz glücklich gemacht hatte, zurücklassen, er entschädigte sich aber dafür, indem er solche an ungewöhnlichen Orten versteckte; mit kindischer Freude malte er dann aus, wie nachkommende Stümper tiefe Abhandlungen über diese seltsamen Erscheinungen schreiben würden. Als ihm Reinhard bemerkte, daß er ja hierdurch die Wissenschaft verwirre, stand er stutzig da und half sich dann mit einem leichten Scherze darüber weg. Dennoch ließ er jede Versteinerung, die er nicht mitnehmen konnte, fortan an ihrem Orte liegen. Bei den naturgeschichtlichen Auseinandersetzungen hörte Reinhard willig zu; wenn es aber wieder an die Fragen vom Weltübel ging, begann er zu singen:
    »Collaborator! Collaborator. Ihr Bäume, Vögel, Steine, der Collaborator ist da und will euch eine Predigt halten. Sieh, ich lehre die Vögel im Walde deinen Titel, wenn du nicht einpackst.«
    Ueber eine Sache jedoch hörte Reinhard mit besonderm Wohlgefallen zu. Sie ruhten einst unter einem Nußbaume mitten im Walde, da bemerkte der Collaborator: »Der Volksmund berichtet, einem Raben sei an solcher Stelle die Frucht, die er im Schnabel trug, entfallen und sie sei zum Baume aufgewachsen. So steht auch oft mitten unter Menschen mit rauhen Sitten und Seelen ein zartes, hohes Gemüth.«
    »Aber ein schöner Leib muß auch dabei sein,« bemerkte der Maler.
    »Gewiß, wie glücklich ist ein schönes Menschenantlitz; freundlich lacht ihm die Welt entgegen, alle

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