Schwarzwaelder Dorfgeschichten
lautlos.
Lorle sagte einmal: »Ich mein' ich wär' gar nicht mehr im Dorf oder ich schlaf' und hör' das Alles nur so, ich weiß nicht wie. Ich weiß nicht, für keinen andern Menschen auf der Welt thät ich so da sitzen.«
»Gutes Lorle,« erwiderte Reinhard, »ich weiß, Ihr habt Niemand auf der Welt so lieb als mich. Zittere nicht,« fuhr er fort, ihre Hand fassend, »ich kenne dein ganzes Leben; du hast, während ich in der Ferne umherschweifte, still meiner gedacht, du hast dich gegrämt, daß ich dich so oft geneckt und hast mich doch lieb gehabt; und als ich wiederkam, hast du an jenem Abend geweint, weil Jemand auf mich schimpft?«
»Um Gottes willen hat das die Bärbel verrathen?«
»Also war's die Bärbel! nein, es hat mir Niemand was gesagt. Mir zu lieb warst du so freundlich gegen den Collaborator, und in jener Nacht, als ich unter der Linde das lustige Lied sang, hast du still getrauert in deinem Kämmerlein, weil ich mich so heruntergäbe.«
»Heiliger Gott! woher könnet Ihr das alles wissen?«
»Weil ich dich lieb hab', weiß ich Alles. Hast du mich auch recht lieb?«
»Ja, tausend tausendmal.«
In einem seligen Kusse umschlangen sich die Beiden.
»Jetzt, jetzt,« rief endlich Reinhard, »jetzt möcht' ich sterben und du auch.«
»Nein,« rief Lorle sich aufrichtend und Reinhard mit starken Armen fassend, »nein, erst recht leben, lang, lang leben.« In ihrem Blicke lag eine Heldenkraft, eine stolze Spannung, als könne sie jeden Tod besiegen.
»Du willst also ewig mein sein?« fragte Reinhard.
»Ja, ja, in Gottes Namen, Alles, Alles.«
Bei diesem Zusatze: in Gottes Namen – zuckte es fremd in den Mienen Reinhard's; er glaubte, Lorle umfasse ihn nicht mit ganzer Seele, nicht mit freudigem Jubel; er bedachte nicht, daß auch Lorle mit sich gekämpft hatte und daß sie sich dieser Liebe demüthig fügte, als einem Gebote Gottes.
»Was ist? Hab ich was nicht recht gemacht?« fragte sie.
»Nein, nichts.«
»Darf ich jetzt gehen und es meiner Mutter sagen?«
»Nein, bleib, wir wollen das Geheimniß noch still bewahren; glaub mir, es ist besser so.«
»Ja, ja,« sagte Lorle zaghaft, »ich thu' gern Alles; befiehl mir nur recht und immer, was ich thun soll, du guter Reinhard.«
»Heiß' mich nicht mehr Reinhard, nenne mich bei meinem Vornamen Woldemar.«
Lorle lachte laut auf und auf die verwunderte Frage Reinhard's, was es gebe, sagte sie: »Verzeih, Woldemar! das ist so lächerig, Woldemar, das ist, wie wenn man die Treppe herunterfällt, Poldera, so macht's grad. Nein, darf ich nicht mehr allfort Reinhard sagen? Ich hab' dich so lieb bekommen, ich bin dich so gewohnt, laß mich so dabei.«
»Auch gut,« sagte Reinhard, halb verdrießlich lächelnd.
Es ist eine Kleinigkeit, aber doch hat fast Jeder eine gewisse Liebe für seinen Vornamen, als wäre er nicht etwas Verliehenes, sondern ein Stück des eigensten Wesens; man verträgt's nicht leicht, daß man ihn unschön findet. Ist's ja auch dieser Klang, der uns vor Allem mit den Menschen verbindet, uns ihnen kenntlich macht; liegen darin ja auch die süßesten Zauber der Kindeserinnerung.
»Du mußt recht gut gegen mich sein,« sagte Lorle, die Hand auf die Schulter Reinhard's legend, »sonst vergeh' ich vor Angst; ich bin dich ja doch nicht werth, ich bin viel zu gering. Ja, und was ich noch hab' sagen wollen, du mußt im Dorf nichts von mir reden, gar nichts; du hast zum Martin gesagt, ich sei ein Kanarienvögele, und jetzt heißen sie mich im ganzen Dorf so; mir liegt nichts dran, wenn sie mich ausspotten, aber es ist mir von wegen deiner, es weiß doch kein's als ich –«
»Was denn?«
»Was du für ein lieber Kerle bist,« sagte Lorle, die Zähne zusammenbeißend und Reinhard am Barte zausend.
Wer kann all das süße Kosen und Plaudern wiedergeben, das von diesem Tage an die sonst so stille Werkstatt Reinhard's in sich schloß? In Demuth entfaltete Lorle eine Fülle des Liebesreichthums, daß Reinhard staunend und anbetend vor ihr stand. Der Schluß ihrer Rede war aber fast immer: »Ach Gott! ich bin dich nicht werth.«
»Nein,« rief Reinhard, »du bist millionenmal besser als ich, als alle Männer, als alle Menschen. Ich möchte siebenmal sieben Jahre um dich dienen.«
»Da könntest du alt werden,« sagte Lorle still lächelnd, und Reinhard fuhr fort: »Sieh, ich habe schon oft die ganze Welt und mich verloren gehabt, im Taumel hineingelebt, mitten in der Neue ein Sünder – doch, du kannst nicht begreifen, wie weit
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