Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Nichts, trotz aller Zureden. »Ich bin satt, ganz satt,« war ihre stete Entgegnung, die die vollste Wahrheit enthielt.
»Lasset's in Fried',« rief endlich der Wadeleswirth, »wenn das Lorle auch nichts ißt, meine Kinder sind g'frässig und g'süffig, es schmeckt ihnen Alles, sie kommen aus einem rauhen Stall; von deßwegen, Professor, könnet Ihr mit meinem Lorle bis Paris reisen, es ist nicht schleckig.«
Nach dieser Rede schaute er rundum allen Leuten in's Gesicht, sich den Beifall zu holen, weil er so etwas gar Gescheites gesagt hatte; als aber Niemand Lob zunickte, rief er, vom Wein erregt: »Zur Gesundheit, Herr Pfarrer, auf die neu' Kirch' und daß sie auch von innen ... ja ich hab' was, aber es wird nicht gesagt, von meinem Tochtermann, aber es wird vorher nichts gesagt.«
Die Tafelmusik spielte manche lustige Weise und die Fröhlichkeit hatte noch lange nicht ihren Gipfelpunkt erreicht, als man jetzt in einer Pause Peitschenknallen vor der Thür vernahm: Reinhard und Lorle standen auf, Alles folgte ihnen. Vor dem Hause stand das Wägelchen, das Gepäck war sorgsam festgebunden, der Rapp war angespannt und Martin stand da und hielt das Leitseil.
Lorle sah immer auf den Boden als sie über den Hof ging, als wäre überall Etwas, das sie aufhielte, über das sie wegsteigen müsse. Die Hochzeitsgäste standen alle rings um das Wägelchen, da kam der Wendelin und übergab Lorle schluchzend eine Amsel, die er gefangen, in einem selbstverfertigten Käfig, Lorle solle sie mitnehmen; man versprach ihm, daß die Bärbel sie mit nach der Stadt bringen werde, da sie nicht für die Reise tauge. Der Knabe ging still mit seinem Vogel davon. Der Wadeleswirth hatte die Peitsche vom Wägelchen genommen und hieb dem Rappen eins auf, daß dieser sich hoch aufbäumte und ihn Martin kaum halten konnte.
»Paß auf,« sagte jetzt der Wadeleswirth zu Reinhard, »wenn man von Haus wegfährt, muß man dem Gaul ein Fitzerle geben, daß er's auch weiß, daß man die Peitsch' bei sich hat; hernach braucht man sie oft den ganzen Weg nicht mehr. So ist's auch mit dem Weib. Man muß sie gleich von Anfang merken lassen, wer Meister ist, nachher ist's gut und man kann die Peitsche ruhig neben sich hinstecken, aber das Leitseil muß man festhalten, rr! hu! Rapp! o oha.«
Der Wadeleswirth sah schmunzelnd auf ob seiner klugen Rede; er hatte heute Unglück, er konnte noch so Gescheites vorbringen, man hörte nicht recht darauf. Lorle stand an die Mutter gelehnt und weinte; es war als wollte sie zusammenbrechen vor Schmerz. Die Mutter sagte: »Alter, du könntest auch was Besseres reden zum Abschied wenn ein Kind fortgeht, kann sein auf ewig.« – Sie preßte die Lippen zusammen, sie konnte nicht weiter sprechen.
Dem Wirth war's plötzlich wie wenn man ihm einen Kübel Wasser über den Kopf schüttete; er legte die Peitsche auf das Wägelchen und sagte:
»Nu, nu, nu, nur stet. Lorle, ich will dir was sagen, heul' nicht; wenn du Geld brauchst, was dir fehlt, was es ist, du weißt du hast einen Vater, und wenn's einen Buben giebt weißt wo du die Gevattersleut' holst, verstanden? Jetzt heul' nicht, ich kann das Heulen nicht leiden; heul' nicht, oder ich lass' dich bigott nicht vom Fleck.« – Er schlug sich den Hut tiefer in den Kopf, ballte beide Fäuste und fuhr fort: »Du bist mir nicht feil, nicht für ein' Million. Professor, komm her; wenn du noch Reu' hast, komm her, kannst mir mein Lorle da lassen, bleib' daheim Lorle.«
Die junge Frau schlug lächelnd die Augen auf und reichte dem Vater die Hand, dieser fuhr fort: »Professor, jetzt hör' noch Eins, ich will dir was sagen, bleib' da mit sammt dem Lorle; wirf denen in der Stadt den Bettel vor die Thür, du brauchst's nicht, du bist mein Tochtermann und übernimmst die Wirthschaft, du kannst Lindenwirth sein, ich übergeb' dir Alles, wir ziehen in's Unterstüble; laß abpacken, bleibet da.«
»Und meine Kunst und mein Geschäft?« fragte Reinhard.
»Ja freilich, davon versteh' ich nichts,« antwortete der Vater, er hielt Lorle's Hand in der seinen und schärfte sich die Lippen mit den Zähnen; das sollte die Bewegung, die sich seines Antlitzes bemächtigte, zurückdämmen.
Die Mutter nahm Reinhard bei Seite und sagte:
»Habt nur immer ein getreu Aug' auf mein Lorle, so giebt's kein Kind mehr, soweit der Himmel blau ist; es hat ein gar lindes Herz und wenn es einen Kummer hat, verdruckt es ihn in sich hinein, wenn's ihm auch schier das Herz abstoßt und ... sorget dafür, daß
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