Schwarzwaelder Dorfgeschichten
sagen wollte, sie meinte nur, er habe gesagt, daß er viel stärker als sie und ihr Herr sei; sie ließ sich das gern gefallen.
»Denkst du noch was du träumt hast?« fragte sie jetzt.
Reinhard hatte den Traum von der ersten Nacht im Dorf völlig vergessen, Lorle betheuerte aber bei der Wiedererzählung, daß sie sich deshalb nicht im Mindesten fürchte. »Ich glaub' nicht an Träum',« versicherte sie, »ich hab' schon mehr als zehnmal träumt mein Vater sei gestorben und ich hinter der Leich' drein gangen, und er ist doch mit Gottes Hülf' noch frisch und gesund; aber es macht mir doch bang, daß er so dick wird und nimmer gern laufen mag. Wenn ich nur wüßt', wie es ihm jetzt geht. Es ist mir wie wenn ich ihn schon ewig lang nicht gesehen hätt', aber nein, jetzt sind sie daheim am Geschirraufspülen; da werden sie vor zehn in der Nacht nicht fertig und des Wendelins Mutter die hilft, die ist so ungeschickt und läßt Alles aus der Hand fallen.«
»Laß jetzt die Bärbel am Spülstein und sei bei mir,« entgegnete Reinhard.
»Ja, ja, jetzt schwätz aber auch du, ich bring sonst lauter dumm Zeug vor.«
»Wir brauchen gar nicht reden, wenn ich dich nur hab'.«
»Ist mir auch recht.«
Man war in G., der nächsten Stadt, angekommen; Reinhard und Lorle aßen allein auf ihrem Zimmer, er gab ihr die ersten Löffel Suppe zu essen wie einem Kinde, sie ließ sich's gefallen, dann aber griff sie selber tapfer zu. Als abgegessen war, stellte Lorle die Teller aufeinander, schüttelte das Tischtuch zum Fenster hinaus ab und legte es in die kenntlichen Falten.
»Da sieht man die Wirthstochter,« sagte Reinhard lachend, »das brauchst du nicht thun, das kann der Kellner.«
»Laß mich nur,« entgegnete Lorle, »ich kann's nicht leiden, wenn abgegessen ist und das Geschirr steht noch auf dem Tisch.«
Er ließ sie gewähren und nannte sie sein Hausmütterchen, das ihm jede fremde Wohnung zur Heimath mache. Sie saßen nun ruhig an einander gelehnt beisammen, aber plötzlich fiel Reinhard vor ihr nieder umfaßte ihre Knie und rief schluchzend und weinend:
»Ich bin dich nicht werth, du Reine, Holde.«
Lorle hob ihn auf und tröstete ihn, dann aber sagte sie: »Jetzt hab' ich auch eine Bitt', wir wollen weiter fahren, es ist ja so schön mondhell; thu's mir zu lieb, lieber Reinhard.«
Die Beiden fuhren weiter durch die mondbeglänzte Nacht in stillem Entzücken.
Lorle gedachte aber auch oft nach Hause, sie hätte gar zu gern gewußt, ob sie jetzt wol schon schlafen gehen oder ob sie noch tanzen. Einmal sagte sie zu Reinhard: »Kennst du noch den schönen Dreher, den sie aufgespielt haben, wie wir daheim fortgefahren sind? Mir ist's allfort, wie wenn ich Musik hör'.«
Zur selben Zeit war zu Hause die Mutter hinaufgegangen in Lorle's Kämmerchen, und als sie hier das Bett des Kindes sah, konnte sie sich erst recht ausweinen; sie blickte lange hinein in den Mond und ging dann endlich still hinab.
Der Tanz hatte bald geendet, denn man mußte sich aufsparen für den nächsten Sonntag, da die Einweihung der Kirche stattfinden sollte.
Martin fuhr das junge Ehepaar noch drei Tage und Lorle war's immer als ob das nur eine Spazirfahrt wäre, von der sie morgen wieder nach Hause kehrten und Alles bliebe im alten Gange.
Hatte die Verlobung auf Lorle einen so tiefen Eindruck gemacht, während sie Reinhard nur wenig berührte, so war dies jetzt mit der Trauung umgekehrt. Durch die Verlobung sah sich Lorle dem ganzen Dorf gegenüber als eine ganz neue Person an und für sie war schon damals der Bund unauflöslich geschlossen; Reinhard dagegen, der der weiten Welt angehörte, kam sich jetzt in ihr wie ein ganz anderer Mensch vor; durch ein unauflösliches Band mit einem Wesen außer ihm verbunden, er, der sonst so ganz allein war – ihm war's als ob die Bäume und Berge ihn neu anschauten, als hätte Alles ein anderes Leben gewonnen, weil er selber ein anderes begann.
Eine Eigenheit Lorle's, die wol zum Theil noch vom strengen Regiment ihres Vaters herrührte, wesentlich aber auch aus ihrem Mitgefühl für Mensch und Vieh stammte, war die, daß sie in fieberischer Unruhe war, sobald das Wägelchen vor dem Hause angespannt stand. »Es ist mir, wie wenn ich selber angespannt wär',« sagte sie auf die Zurechtweisung Reinhards. Um ihr solche Hast und Unruhe abzugewöhnen, zögerte Reinhard nun noch viel bequemer und behaglicher als sonst bei der Abfahrt, und Lorle entschuldigte sich jedesmal bei Martin, daß sie ihn so lang warten
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