Schwarzwaelder Dorfgeschichten
die Gallerie verweigerten, weil die Noth des Landes so groß sei, daß sie keine derartigen Ausgaben gestatte. Mit einer Mehrheit von blos zwei Stimmen wurde hierauf die angesetzte Summe zur Einrichtung der Zimmer über dem Marstall für die Gallerie und der Gehalt Reinhard's bewilligt. Dagegen nahm die Regierung Rache und verweigerte eine Aufbesserung der Volksschullehrergehalte, die auf dem vorigen Landtag schon beantragt war.
Ein tiefer Mißmuth setzte sich in Folge der ersten Behinderungen in Reinhard fest, zu dem er noch die Ueberzeugung gesellte, daß das ständische Wesen alle Kunst vernichte, diese daher nur in dem monarchischen Prinzip einen Halt habe. Reinhard hatte bisher ohne politische Ansicht gelebt, nun war sie ihm geworden. Aus diesen Gründen fühlte er sich heimischer in der »Gesellschaft«; aber noch ein bedeutsames Motiv kam dazu.
Die junge Gräfin Mathilde von Felseneck, eine reizende und vielbesprochene neue Erscheinung, schloß sich an Reinhard auf besonders zuvorkommende Weise an; sie trat jetzt zum Erstenmal in »die Welt,« sie war einsam auf dem väterlichen Schlosse aufgewachsen; denn ihr Vater, der die Tochter seines Rentamtmanns geheirathet hatte, lebte seit zwanzig Jahren fern vom Hofe und von seinen Standesgenossen. Erst jetzt, seit dem Tode der Mutter ward ihm Versöhnung; das Kind wurde willig aufgenommen, zumal es eine blühende reiche Erbin war, von der man mit Zuversicht erwartete, daß sie den Fehler ihrer Abstammung durch eine standesgemäße Ehe ausgleichen werde. Gräfin Mathilde, die das Schicksal ihrer Mutter im Herzen trug, betrachtete sich in diesem Kreise nur als Geduldete, als Bürgerliche; sie fühlte sich zu Reinhard hingezogen, wie man im fernen Lande unter Fremden einen Heimatgenossen begrüßt; dazu ward sie mächtig angesprochen von dem freien und doch so sichern Benehmen Reinhard's, der keine der Gesellschaftsformen verletzte, sie aber doch, nur dem aufmerksamen Blicke sichtbar, mit einem gewissen leichten Uebermuthe behandelte; namentlich bemerkte sie dies dem Comte de Foulard gegenüber, der die Etikette mit einer gewissen priesterlichen Andacht wie ein hochheiliges Mysterium verwaltete. In der That zwang dieses ausgeprägte und feststehende Formenleben Reinhard nur eine kurze Weile eine gewisse Achtung ab, dann überließ er sich der freien Gebarung seines Wesens.
Eines Abends, als man sich eben an verschiedenen kleinen Tischen niederließ und die Bedientenschaar mit märchenhafter Schnelle Alles ordnete und auftrug, sagte der Comte de Foulard zu Reinhard: »Die Gräfin von Felseneck hat sich sehr geistreich über Ihre heute vorgelegten Zeichnungen ausgesprochen; sie bemerkte: die Künstler haben nicht nur in ihrer Schöpferkraft etwas Gottähnliches, indem sie den vorhandenen Reichthum der Welt vermehren, sie müssen auch etwas von der göttlichen Geduld haben, ruhig über ihre Werke Kluges und Unkluges auskramen lassen.« Reinhard wendete sich unwillkürlich nach dem Mädchen um, das an einem andern Tische saß.
»Wenn Sie meiner Cousine vorgestellt sein wollen, bin ich bereit,« sagte ein schmucker Gardeoffizier, der neben Reinhard saß. Das Erbieten wurde mit Dank angenommen.
Von diesem Abend an gestaltete sich ein eigenthümliches Verhältniß zwischen Reinhard und Mathilde. Wenn sie sich bei Hofe oder in den Salons trafen, kam eine gewisse ruhige Sicherheit über sie; so förmlich auch ihr beiderseitiger Gruß war, es lag etwas Zutrauliches darin, als hätten sie sich ohne Verabredung hier ein Stelldichein gegeben. Sie hatten Beide die Empfindung, als ob das Eine mit schützender und vorsorgender Hand dem Andern diese Stunden zu genußreichen bereiten müsse; Jedes hegte gewissermaßen die Verantwortlichkeit für einen Mißgriff oder ein Mißgeschick des Andern in sich. Wenn Reinhard von seinem Gönner, dem Comte de Foulard, mit einem Kunstgespräche in einer Nische festgenagelt wurde, empfand Mathilde die höchste Langweile für ihn und merkte kaum auf die Artigkeiten und Aufmerksamkeiten, die sie umgaben; wenn dann die Gräfin Mathilde singen mußte, bebte Reinhard für sie; war die Reihenfolge ihrer Lieder eine unpassende, so machte er sich selbst Vorwürfe. Bald waren sie dann oft, in der gemessensten Haltung einander gegenüberstehend, in die launigsten Gespräche verwickelt. Nie lobte Reinhard den so seelenvollen Gesang Mathildens, er sprach nur bisweilen über die Schönheiten der Dichtung und Composition; sie mochte daraus erkennen, wie sehr
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