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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Abende verbraucht, jetzt zögen selbst die Gardeoffiziere, die doch von Adel sind, nur bei den ersten Touren frische Handschuhe an und ersetzten sie dann unversehens durch alte.
    Die Frau Oberrevisorin sagte: »Ich würde mich schämen, mich um solche Dinge zu bekümmern.«
    Nun brach der Zorn der Handschuhfabrikantin los und sie bemerkte, es gebe viele Handwerksleute, die mehr verdienten als die Angestellten; man wisse wohl, da sei's oft außen fix und innen nix. Leopoldine, die den unverzeihlichen Mißgriff gemacht hatte, eine solche gemischte Gesellschaft zu laden, brachte die Sache schneller als sie hoffen konnte, wieder in's Geleise durch die einfache Frage: Ob wohl die Herrschaft bei dem heutigen Ball sein werde.
    »Was ist das, die Herrschaft?« fragte Lorle. Alles sah sie erbarmungsreich an.
    »Das ist der Hof, das ist die Herrschaft,« erklärte man von allen Seiten.
    Lorle aber entgegnete: »Warum denn Herrschaft? Mein' Herrschaft ist's nicht, ich bin kein Dienstbote, ich hab' meine eigne Haushaltung und ihr ja auch.«
    Kichernd und lachend erhob sich Jedes himmelhoch über diese furchtbare Einfältigkeit; selbst die Frau Oberrevisorin konnte nicht umhin, der ihr vorgezogenen Kammersängerin Etwas in's Ohr zu zischeln. Lorle athmete erst wieder frei auf als der Collaborator aus dem Bierhause kam und allerlei Scherze losließ.
    »Mein' Lebtag geh' ich nimmer in so eine Gesellschaft,« sagte Lorle auf dem Heimwege zu Bärbel.
    Sie fühlte wohl die Erbärmlichkeit eines solchen Lebens, wo man, statt an eigener gesunder Kost sich zu erfreuen, nach den Brosamen und dem Abhub der vornehmen Welt hascht.
    Während dieses Abends mußte Reinhard viele ergötzliche Neckereien bestehen; er wurde stets von zwei Masken gehänselt, die ganz in derselben Bauerntracht gingen wie einst Lorle. Anfangs war er erschrocken, denn beide Masken sprachen vollkommen den Dialekt; erst beim Entlarven konnte er in der einen die Gräfin Mathilde und in der andern ihre Gesellschafterin, ein armes adeliges Fräulein erkennen.
    Als Lorle ihm am andern Morgen die Ereignisse des gestrigen Abends erzählte, hörte er ihr kaum zu; seine Gedanken tanzten noch auf dem Balle.
    Dennoch blieb das Verhältniß zur Gräfin Mathilde ohne Fortschritt, fast auf demselben Punkte, auf dem es begonnen hatte; zumal da sie jetzt, nach Schluß der Saison, wieder mit ihrem Vater auf seine Güter zurückkehrte.
     

Fürnehmes Leben, fürstliches Brod.
     
    Lorle hatte ein vereinsamtes Leben, denn Reinhard war die meisten Abende außer dem Haus, und trieb sich oft Tage lang auf den Hofjagden umher. Jetzt richtete er sich noch seine Werkstatt in den obern Zimmern des Marstalls ein. Lorle war noch nie dort gewesen.
    Der Prinz hatte Reinhard beauftragt, eine Erinnerung an die letzte Fuchsjagd zu malen; auf die Entgegnung Reinhard's, daß er sich nicht auf Jagdstücke verstehe, erhielt er die Antwort: »Malen Sie nur ganz nach Ihrer Eingebung, ich lasse der Kunst gern die vollste Freiheit.«
    In unglaublich kurzer Zeit vollführte nun Reinhard ein Werk, das er für sein Bestes hielt; es war eine tiefe Waldeinsamkeit, nur ein Fuchs saß ruhig auf seinem Baue unter den alten knorrigen Stämmen und schaute sich klug um; es war der Verstand des Waldes. Triumphirend ließ Reinhard das Bild auf das Schloß tragen: es mißfiel allgemein. »Das ist ja bloß eine Landschaft,« hieß es, man hatte mindestens die Abbilder der Hauptjäger und ihrer Hunde erwartet.
    Das war also die »vollste Freiheit« der Kunst, und doch sollte nach Reinhard's Ansicht das monarchische Princip ihre einzige Stütze sein. Verstört und ingrimmig ging er umher.
    Zu Hause war auch des Elendes genug und gerade in seinem Berufe hatte er die Erlösung gesucht. Er hatte ein gut Theil jener Unabhängigkeit verloren, die in dem eigenen Bewußtsein sich erhebt; seine gesellschaftliche Stellung verlangte nothwendig die Anerkennung als Künstler.
    Die Bärbel kränkelte und Lorle jammerte viel, daß sich die Diensteifrige keine Ruhe gönne. Reinhard bemerkte einmal, die Bärbel solle wieder heimkehren; da weinte Lorle so bitterlich, daß er sie nur mit vieler Mühe beruhigen konnte. Er ließ Lorle immer mehr für sich gewähren, und wenn er dann oft plötzlich an ihr schulte, setzte sie ihm eine störrige Unnachgiebigkeit entgegen. Sie war ihm demüthig ergeben, so lang er sich ihr vollauf widmete, ihr ganzes Tagewerk war oft nur ein Warten auf ihn, manche Arbeit kam ihr nur wie einstweilige Unterhaltung

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