Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Stadt viel weniger als bei uns im Dorf; es ist wol, weil sie mehr an die Menschen gewöhnt sind.« Da lachte der Collaborator und sagte: »Deine Frau hat die tiefste Symbolik.« – Lorle, die nun schon Muth hatte und sich durch ein fremdes Wort nicht mehr verblüffen ließ wie damals zu Hause, sagte jetzt: »Ihr müsset nicht so g'studirt reden, wenn es mich angeht.« Der Collaborator erklärte nun, wie deutungsreich ihr Ausspruch war und suchte seine ganze Verachtung dieses Lebens nachdrücklich geltend zu machen. Lorle erwiderte nur, sie hätte nicht geglaubt, daß er so grimmig bös sein könne. –
Als sie einst klagte, daß durch die neue Kanzlei ihrem Hause gegenüber die Aussicht in's Freie verbaut würde, wußte der Collaborator auch dies sinnbildlich zu deuten. Lorle verstand den Collaborator besser als er glaubte, aber sie war doch ärgerlich, daß er ihr alle Worte im Munde verdrehe und immer etwas anderes daraus mache als sie gewollt hatte. Einmal nach mehrtägigem, anhaltendem Regen gingen sie durch die Promenade; da sagte Lorle: »Es ist doch viel schöner in der Stadt, da braucht man die Wege nicht erst durch die Hecken treten, da sind überall Wege ausgehauen und werden schnell wieder gangbar.« –
Der Collaborator behielt diesmal seine symbolische Deutungslust für sich. War sie ihm etwa nicht genehm? ...
Reinhard empfand nun erst recht die Wonne der Häuslichkeit, indem er wieder rüstig zu arbeiten begann. Arbeit macht selbst einsame fremde Räume zu heimisch trauten, und wie nun gar die gemeinsam bewohnte eigene Heimath! In dem kleinen Stübchen gegen Norden, das er sich zur einstweiligen Werkstatt eingerichtet hatte, ging er an die Vollendung des Bildes: »Das neue Lied,« das er schon im Dorfe begonnen hatte.
Lorle war oft bei ihm, denn er hatte ihr gesagt: »Ich bitte dich, komm oft zu mir, wenn ich arbeite; ich thue Alles besser und lieber, wenn du da bist. Wenn ich auch nichts mit dir rede, wenn ich auch deiner scheinbar nicht bedarf, du bist mir wie angenehme Musik im Zimmer; es thut sich Alles besser dabei.«
Als er nach vollbrachter Tagesarbeit bei ihr in der Stube saß, sagte er einmal: »Stricke und nähe nicht, arbeite nicht, gar nichts, wenn du bei mir bist; es ist mir, als wärest du nicht Allein, nicht ausschließlich bei mir, als wäre noch ein Drittes bei uns Zweien, als wärest du nur halb bei mir.«
»Hab' dich schon verstanden, brauchst's nicht so um und um wenden,« entgegnete Lorle und legte das Strickzeug weg, »aber die Händ' da, die wollen was zu thun haben, und da muß ich dich halt beim Busch nehmen und zausen.« Sie vollführte dies auch, schüttelte ihm den Kopf mit beiden Händen und gab ihm dann einen herzhaften Kuß.
Das war ein liebewarmes häusliches Winterleben.
Auch an kleinen Neckereien fehlte es nicht. Lorle hatte die Scheuersucht der Frauen in ungewöhnlichem Grade; die Stubenböden waren jetzt ihre Aecker, sie konnten nicht umgepflügt, aber doch sattsam aufgewaschen werden. Reinhard mahnte oft und oft zur Mäßigung, aber vergebens. Als er einmal unversehens nach Hause kam und richtig in kein trockenes Zimmer konnte, faßte er Lorle am Arm und tanzte mit ihr in der Stube herum, indem er sang:
»In Schnitzelputzhäusel, da geht es gar toll
Da trinken sich Tisch' und Bänke voll,
Pantoffel unter dem Bette.«
Auch außer dem Hause wollte Reinhard seiner Frau das neue Leben eröffnen, er führte sie in's Conzert. Der Collaborator unterhielt sie hier sehr eifrig, sie kannte sonst Niemand. Nach einer Beethoven'schen Symphonie fragte er einmal: »Nun sagen Sie mir ehrlich, wäre Ihnen ein schöner Walzer nicht lieber?«
Lorle antwortete: »Aufrichtig gestanden, ja.«
Der Collaborator kam freudestrahlend zu Reinhard und sagte: »Du hast eine herrliche, einzige Frau, sie hat noch den Muth, offen zu gestehen, daß sie sich bei Beethoven langweilt.«
Reinhard kniff die Lippen zusammen, zu Hause aber sagte er ruhig zu Lorle: »Du mußt dich vom Collaborator nicht irre machen lassen, der hat sich an den Büchern übergessen. Du mußt nie über Etwas lachen oder aburtheilen, wenn du's noch nicht ganz begreifst. Es giebt nicht nur eine Musik, nach der sich unsere Körper bewegen, es giebt auch eine solche, wo wir unsere Seele in Trauer und Lust emporsteigen und sinken und sich wiegen lassen, über Alles erhoben – die Seele ganz frei und allein. Ich kann dir's nicht erklären, du wirst es schon finden; aber Respect muß man vor Sachen haben, an
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