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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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aber er hatte die Zügel verloren, um dieses Naturell zu halten, er konnte nichts thun, als um Ruhe bitten. Endlich wurde der Prinz gemeldet und man ging nach dem großen Salon. Man mußte hier noch eine Weile warten, und dieses Kommenlassen, Warten, Melden und Wiederwarten machte Lorle doch etwas bang; sie meinte, es müsse jetzt etwas ganz Besonderes vorgehen.
    Der Prinz trat in Militärkleidung rasch ein und auf die sich verbeugende Lorle zu. In leutseligem Ton sagte er: »Seien Sie willkommen, Frau Professorin.«
    »Schön' Dank, Herr Prinz, Königliche Hoheit.«
    »Nun, wie gefällt es Ihnen bei uns in der Stadt?«
    Lorle hatte, trotz der scharfen Blicke Reinhards, schnell ihre Handschuhe abgestreift; sie wußte, daß sie so besser reden konnte, und sie sagte: »Wo man verheirathet ist, da muß es Einem gefallen; es ist auch recht schön und sauber hier, aber so himmelhohe Häuser.«
    »Ich habe schon oft gedacht,« begann der Prinz wieder, »die Bauern sind doch die glücklichsten Menschen auf der Welt.«
    »Da hat der Herr Prinz Hoheit unrecht, das ist nicht wahr; man muß schaffen wie ein Taglöhner und Steuern zahlen mehr als ein Baron, sagt mein Vater.«
    Reinhard stand wie auf Kohlen; das war unerhört, daß man einem Prinzen sagt: das ist nicht wahr.
    Der Prinz fixirte Lorle lächelnd, dann lenkte er ab und sagte, auf die Madonna anspielend: »Ich habe Sie schon früher gesehen, Frau Professorin.«
    »Freilich, erinnert sich der Königliche Hoheit noch, wie wir klein gewesen sind? Er ist g'rad acht Wochen älter als ich, ich weiß seinen Geburtstag wohl, wir haben allemal an selbem Tag eine Bretzel in der Schul' kriegt. Weiß er noch, wie er durch unser Dorf kommen ist? Er hat dazumal lange blonde Locken gehabt und einen gestickten Kragen in Hohlfalten gelegt; damals haben wir uns daheim gesehen. Ach Gott! wir haben drei Wochen vorher von nichts Anderem gered't und träumt als: der Prinz kommt durch's Dorf! Den Nachmittag vorher war kein' Schul' und an dem Tag erst recht nicht, und wie wir jetzt Alle da gestanden sind mit Sträuß', und der Martin ist oben auf dem Thurm, und wie der Prinz auf unser' Gemarkung kommt, da haben alle Glocken geläut't und da hat man mit Böllern geschossen, und wir Kinder sind alle auf dem Platz in die Höh' gesprungen, und der Lehrer hat gerufen: still! ruhig! Und jetzt hat man bald gehört, wie die Kutsch' kommt, und da hab' ich aufpassen wollen, daß ich Alles seh', da geht mir grad mein Schurzbändel auf; ich werd' aber noch fertig, und da kommt er und hält: grad' neben uns, und des Luzian's Bäbi hat ein Gedicht an ihn hingesagt, und da haben wir Kinder alle: Vivat hoch! gerufen, und rrr! fort ist der Prinz und hat noch sein Käpple mit der Troddel d'ran gelüpft, und da haben wir ihm unsere Sträuß' nachgeworfen, und da sind die Hofwagen kommen und sind über unsere Sträuß' weggefahren.«
    Der Prinz sagte mit sichtbarer Rührung: »Hätte ich damals gewußt, daß Sie da sind, ich wäre ausgestiegen; ich wollte, Sie wären dort meine Jugendgespielin gewesen.«
    »Ja, das wär' schon angangen. Ich hab' rechtschaffen Mitleid mit ihm gehabt, er hat doch auch ein arm's Leben gehabt, gar kein' Minut' für sich, 'naus in Wald oder in's Dorf. Wie er da auf der Saline blieben ist, da haben sich immer lauter große alte Leut' an ihn gehängt und er ist kein' Minut' allein gewesen. Weiß der Hoheit denn auch, wie ein Baum im Wald aussieht, wo kein Kammerdiener dabei ist?«
    Der Prinz drückte Lorle die Hand und sagte: »Sie sind ein vortreffliches Wesen. Ja, gute Frau, es ist eine schwere Jugend, die eines Fürsten.«
    »Nun, so arg ist's g'rad nicht, es muß sich doch ertragen lassen, man sieht ihm just nichts an, daß es ihm so übel gangen ist; aber ich hab' auch wegen dem Herr Prinz Hoheit Ohrfeigen kriegt und es ist mir Alles im Angedenken blieben.«
    »Wie so das?«
    »Wie der Hoheit auf der Saline blieben ist, da bin ich mit meiner Bärbel auch 'nunter und wir sind draußen am Gitter gestanden, und er ist drinnen im Garten spaziren gangen, und da ist ihm sein Schnupftuch auf den Boden gefallen, und da ist ein steinalter Mann mit weißen Haaren, von denen bei ihm, hingesprungen und hat ihm's aufgehoben; und da hat die Bärbel gesagt: der wird auch in Grundsboden 'nein verdorben, und da hab' ich gesagt: wenn ich ein Prinz wär', ich thät' den ganzen Tag alles wegschmeißen, daß mir's die alte Leut' mit denen Stern' auf der Brust aufheben müßten – und da hat mir die

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