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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Dorfe aus- und eingehen mag wie zu Hause, wo man sich kennt, und zwar von Jugend auf mit all' den Eigentümlichkeiten von Naturell und Schicksal. –
    So leicht verblendet einmal eingerissenes Mißverständniß, daß Reinhard, statt aus dem letzten Ereignisse Hochachtung vor der unzerstörbaren Naturkraft seiner Frau zu gewinnen, darin eine spröde, alle Bildungselemente abstoßende Halsstarrigkeit beklagte.
    Lorle selber fühlte auch immer mehr, ohne sich's zur Klarheit bringen zu können, daß sie in einer fremden Welt war. Das ganze Leben einer solchen anhangslos aus der Fremde in die Stadt versetzten Frau ist durchaus auf ihre Häuslichkeit beschränkt, die ganze Welt um sie her geht sie nichts an; nur eine allgemeine Bildung mag auch hier bestimmte Anknüpfungen finden lassen, denn sie verbindet mit Menschen, die auf fernen Bahnen wandelnd doch dieselben allgemeinen Lebenseindrücke, dieselben Interessen in sich hegen. Lorle dünkte sich selber oft erschreckend verstandesarm, ihr Scharfblick und ihre Klugheit konnten sich nur offenbaren, wenn sie von Bekannten, von Menschen sprechen konnte; daheim war sie viel klüger gewesen. Nothwendig und natürlich kam sie daher in Ermangelung der gemeinsamen Bekannten oder der Allgemeinheiten dazu, daß sie leicht von sich sprach oder ihre ganze Eigenthümlichkeit offenbarte; sie konnte nicht anders, sie mußte auch in der neuen Umgrenzung sich frei walten lassen. –
    Eine Lerche, gewohnt und geschaffen hinanstrebend im weiten Raum ihren Gesang erschallen zu lassen, lernt auch im engen Käfig singen wie in der Freiheit, aber am Gitter stehend bewegt sie ihre Flügel in leisem Zittern während sie singt, und nie wird sie zahm, jeder betrachtende und forschende Blick macht, daß sie in wildem Aufruhr sich gegen die Umgitterung wirft und stemmt; sie verstummt und will entfliehen.
    So hatte das letzte Ereigniß nach zwei Seiten hin vielleicht tödtliche Keime angesetzt oder längst vorhandene dem Bewußtsein mehr geöffnet.
    Nun aber war noch über ein sichtbar erschüttertes Leben zu wachen. Die Bärbel konnte endlich doch das Bett nicht verlassen, Lorle wußte und kannte von nun an nichts mehr, als die Pflege der Getreuen; sie hatte auch die Freude, sie bald wieder genesen zu sehen. Der Arzt erklärte, daß es der Bärbel vielleicht an ermüdender Arbeit in freier Luft fehle, und Reinhard drang nun darauf, daß sie heimkehre; aber zur Freude Lorle's erklärte die Bärbel, daß sie lieber sterben wolle als Lorle verlassen. Bei der anderweit erregten Verstimmung ward nun für Reinhard seine Häuslichkeit immer weniger erquickend, er war es überdrüssig ein Hauswesen zu haben, in dem alle Sorgfalt sich wesentlich auf die Dienstmagd bezog; Lorle durfte er nichts davon mittheilen, denn er war fest überzeugt, sie könne seine Stimmung nicht begreifen, sie werde ihn nothwendig mißverstehen.
    Die Bärbel sollte nun ärztlicher Verordnung gemäß oft spaziren gehen, Lorle begleitete sie bisweilen, nöthigte sie aber auch, sich allein aufzumachen; in diesem Falle aber kam sie bald wieder zurück und sagte: »Ich kann nicht so herumlaufen, ja, wenn ich ein Kind zu tragen hätt' da ging's noch, aber so? Ich lauf' die Allee hinauf wie wenn ich wunder was schnell holen müßt', und da kehr' ich doch wieder leer um und da schäm' ich mich.« –
    Als im Herbst die Blätter von den Bäumen fielen, sank die Bärbel wieder auf das Krankenlager und nach wenig Tagen war sie todt.
    Der Jammer und der Kummer Lorle's war unbeschreiblich. Reinhard theilte ihren Schmerz, aber es ward ihm doch zu viel, daß die Klagen über die Verstorbene immer und immer wiederkehrten und kein Ende nehmen wollten; auch sollte er nun mithelfen und sorgen bei Mißhelligkeiten mit den neuen Dienstboten.
    Ein trüber Winter kam heran. Reinhard wurde weniger in die »Gesellschaft« gezogen, er war keine neue Erscheinung mehr und noch dazu offenbar mißgestimmt. Was kümmert sich die Gesellschaft um ein betrübtes Dasein? Sie will nur die Heiterkeit und sei sie auch eine erlogene. Und nun gar die vornehme Welt! Sie kennt die Menschen nur, da sie in Glück und Glanz stehen. Anfänglich verdroß Reinhard diese Zurücksetzung, dann aber war's ihm erwünscht, so vielfacher Störung los zu sein; er blieb indeß nicht zu Hause, sondern schloß sich dem Collaborator und dessen Kreis öfter an. Die beiden Freunde durchsprachen oft den Plan zu einem satyrischen Bilderwerk. Reinhard entwarf treffliche Zeichnungen zu demselben,

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