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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Fühlen in sich zu gewähren vermag. In der Hingebung, daß er die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen wollte, erquickte ihn auch noch oft der Gedanke an die öffentliche Wirksamkeit, und so empfing er im Stillen den Segen der Geistesthat, der unbelauschten Ausbreitung des eigensten Seins und Erkennens für alle, ein Segen, dem nichts auf Erden gleichkommt; das ganze Einzelleben will sich aufzehren, ein Opfer in den Flammen des Gedankens, und schwebt wiederum unversehrt, geläutert daraus empor.
    Oft ward dem einsamen Forscher auch bange, er hatte so viel auf dem Herzen, das er doch nicht auf Einmal offenbaren konnte.
    In Gesellschaft der Freunde war er schweigsamer als je; weil er ein Geheimniß mit sich trug. Es war ihm, als ob er sich auch über andere Dinge nicht vollkommen unumwunden aussprechen könne. Bei manchen Gesprächsgegenständen hatte er bisweilen Lust auszurufen: »Wartet nur bis mein Buch kommt, dort habe ich alles dies erörtert und an's Licht gesetzt.« Weil er dies nicht sagen durfte und mochte, schwieg er. Dagegen konnte er nicht umhin, unter dem unmittelbaren Einfluß der Gespräche in seine bereits niedergeschriebenen Darstellungen manchen Zwischensatz einzuschalten, manches »Epitheton« einzukeilen, um diesen oder jenen Mißverständnissen und schiefen Ansichten zu begegnen. –
    Eines Mittags ging Lorle mit dem jüngsten Knaben des Registrators nach dem Schloßplatz zur Parade; sie wollte Reinhard dort erwarten, von dessen Werkstatt man gerade nach der Schloßwache sehen konnte. Als sie hier vorüberging, trat ein Tambour auf sie zu mit den Worten:
    »Grüß Gott! Ei kennst mich nimmer? Sieh mich einmal recht an.«
    »Herr Je! der Wendelin, du bist ja mehr als um einen Kopf gewachsen.«
    »Und dir geht auch nichts ab, du bist recht stark worden, Lorle, oder Frau Professorin; nicht wahr, so heißt man dich doch?«
    Sie reichten sich die Hände und nach mancherlei Fragen erzählte Wendelin: »Wie du halt fortgewesen bist, bin ich das Frühjahr drauf auch fort und hab' mich zum Grafen Felseneck als Schäfer verdingt, und da hat einmal unser Fräulein, die Gräfin Mathilde, gehört, daß ich von Weißenbach sei und da hab' ich zu ihr 'nauf müssen und da hat sie mich Alles ausgefragt von dir und vom Herrn Reinhard. Es ist ein brav' Mädle unser gnädig Fräulein, und da hat sie mir ein Guldenstückle geschenkt, und von dem Tag an hab's ich's immer besser gehabt auf dem Hof und wenn sie so durch's Feld geritten ist, sie reitet prächtig, da ist sie auf mich zukommen und hat mit mir geschwätzt. Und wie der Herr Graf die Schäferei aufgegeben hat, da hat mich der Vetter, der ist Oberstlieutenant in unserm Regiment, mit hierher genommen und jetzt bin ich Tambour; ich bleib's aber nicht, ich lern' das Horn blasen und über's Jahr komm' ich zur Regimentsmusik und da hab' ich für mein Lebtag ausgesorgt. Ich bin schon vierzehn Wochen hier, ich hab' dich aber noch nicht gesehen.«
    »Warum bist du nicht zu mir kommen?«
    »Ja, wenn ich's gewußt hätt', daß ich so dürft' und daß du noch allfort so gut bist, ich hätt' dich schon ausgefunden. Ich hab' aber auch sündlich viel zu lernen gehabt, meine Arme sind mir oft wie abgebrochen gewesen und heut' bin ich zum Erstenmal auf der Wacht; es ist mir ein gut Zeichen, daß ich dich grad' seh!«
    Während die Beiden so mit einander plauderten, war der Adjutant des Prinzen bei Reinhard, um mit ihm die Transparente zu besprechen, die zur bevorstehenden Vermählung des Prinzen anzufertigen waren; er trat jetzt an's Fenster und rief: »Da unten steht Ihre Frau Gemahlin bei einem Soldaten.«
    Reinhard eilte hinab, Lorle sah ihn nicht kommen, bis er ganz nahe war und in heftigem Tone rief: »Was stehst du da? Komm mit fort.«
    In den bittersten Aeußerungen ergoß sich Reinhard über diese schmachvolle Unschicklichkeit; Lorle konnte nicht zu Wort kommen. Die Parade zog auf und spielte einen lustigen Marsch, Lorle war's, als müßte sie in den Boden versinken, da sie hier vor aller Welt ihre Thränen nicht zurückhalten konnte; glücklicherweise aber bemerkte Niemand ihr zur Erde gewendetes Antlitz. Endlich konnte sie die Worte hervorbringen:
    »'s ist ja der Wendelin, du kennst ihn doch auch.«
    Reinhard sah wohl ein, daß es zu hart und heftig gewesen war, aber die Unschicklichkeit war doch zu groß als daß er Abbitte that.
    Bei den unerquicklichen Arbeiten, die Reinhard nun auszuführen hatte, ward er zu Hause immer düsterer und gereizter. Als

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