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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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er sich einst wieder zu einer Heftigkeit gegen Lorle hinreißen ließ, sagte sie: »Schmeiß' nur Alles zusammen wie die Teller, die du auch zerbrochen hast.«
    Reinhard ward still, seine Frau kam ihm unendlich kleinlich vor, da sie jenen vor Jahren vollführten Uebermuth nicht vergessen konnte. Lorle aber konnte nicht mehr ausführlich mit ihm reden, sie wollte ihm sagen daß er auch sie zerbreche weil sie sein eigen geworden sei; aber sie konnte jetzt ihm gegenüber nur halbe Worte finden, ein Bann lag auf ihrer Seele, den sie nicht zu lösen vermochte.
    Sie ging mit Reinhard durch die Straße, da begegnete ihnen ein Wagen mit frischem Heu; Lorle riß eine Handvoll aus und sagte: »Jetzt heuet man,« und Reinhard entgegnete: »Das ist etwas ganz Neues, eine merkwürdige Entdeckung!«
    Lorle schwieg, sie konnte wiederum nicht sagen, wie schmerzlich es sie errege, erst zufällig durch einen Heuwagen zu merken was an der Zeit sei, da sie sich so weit vom Feldleben entfernt hatte.
    Ein überraschender Besuch verscheuchte auf einige Tage das stille Einerlei der einsamen Häuslichkeit. Der Wadeleswirth hatte schon oft seine Tochter heimsuchen wollen, aber wie das so geht, er kam schwer vom Fleck; bald sollte dieses bald jenes Feldgeschäft noch gethan sein bevor er reiste, und dann redete er sich wieder ein, er wolle die Gevatterschaft abwarten und so verstrich die Zeit. In den Briefen, die Lorle nach Hause geschrieben hatte, sprach sich oft in einzelnen Worten ein sehnsuchtsvolles Heimweh aus. Es hätte sich wohl daraus entnehmen lassen, daß ihr jetziges Leben ihr noch ein fremdes war; die Eltern ahnten wohl dergleichen, aber sie wollten sich's nicht glauben, sie rechneten Alles der übermäßigen Kindesliebe zu. Seit geraumer Zeit entschuldigte Lorle in ihren Briefen jedesmal ihren Mann, daß er nicht selber schreibe weil er gar viel zu thun habe.
    Sei es nun durch eine Mittheilung Wendelin's oder durch andere Berichte, im Dorfe ging die Sage, Lorle sei unglücklich und werde in der Stadt wie eine Gefangene gehalten. Nun hatte alles Zaudern und Zögern ein Ende, der Wadeleswirth lief herum, schnaubte und ballte die Fäuste; es that ihm nur leid, daß er den Reinhard nicht gleich packen und tüchtig durchwalken konnte. Den ganzen Tag und die Nacht hindurch fuhr er und kam am frühen Morgen in der Stadt an; er besann sich jetzt aber eines Bessern, er wollte Lorle zuerst allein sprechen und wartete daher bis Reinhard in der Werkstatt war. Als er die drei Treppen hinanstieg, stand er mehrmals still und verschnaufte, sein Blut war in mächtiger Wallung und er meinte die Knie müßten ihm brechen; das war ein harter Gang.
    Erschütternd war das Wiedersehen von Vater und Kind, Lorle wollte sogleich nach Reinhard schicken, aber der Vater sagte: »Nur stet, ich hab' zuerst ein Wörtle mit dir allein zu reden.«
    Lorle mußte nun ihre Lebensweise berichten. Der Vater runzelte die Stirn und preßte die Lippen auf einander, als er merkte, daß Reinhard nur zum Mittagessen und Schlafen heimkäme; er gestand offen, daß das anders werden müsse und daß er dem »Professor was aufzurathen« geben wolle. Lorle bat und beschwor, ja keine Heftigkeit anzufachen, da das doch zu nichts führe; Eheleute müßten sich selber verständigen, da könne selbst der Vater Nichts thun, sie sei nicht unglücklich und ihre ganze Anschauung des Mißverhältnisses drängte sich in den Worten zusammen: »Gucket, das ist halt in der Stadt anders, das Elend ist eben, daß die Frau dem Mann in seinem Geschäft gar Nichts helfen und beispringen kann, und da muß ein Jedes allein sein; daheim, da geht die Frau mit dem Mann auf's Feld und hilft überall.« –
    Dann erklärte sie, wie sehr Reinhard zu bedauern sei, er werde so viel vom Hof in Anspruch genommen und habe doch keine Freude daran.
    Eine gemischte Empfindung beruhigte die Aufregung des Wadeleswirths, er bewunderte die Klugheit seiner Tochter und betrachtete sie mit erneutem Stolz; dann freute er sich, daß der Reinhard nichts vom Hofe wolle.
    Lorle hatte Reinhard nun doch rufen lassen und dieser kam in Gemeinschaft mit dem Collaborator. Das Wiedersehen von Schwiegervater und Sohn hatte hierdurch eine vielleicht erwünschte fremde Haltung, denn noch war der Zorn des Ersteren nicht ganz verraucht. Reinhard war ganz der Alte, auch äußerlich; denn er hatte sich seinen Bart wieder wachsen lassen, da die Engländer in allen möglichen Bartformen bei Hofe erschienen: man kann fast sagen, daß damit

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