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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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traf, er nickte freundlich, sie antwortete mit demselben Gruß und zog sich schnell in ihre Stube zurück; sie konnte nicht unwirsch gegen den guten alten Mann sein, er stellte ihr so schöne Blumen gegenüber, und sie schickte ihm dafür lustigen Vogelsang in die actenstille Stube. Eines Morgens räumte der alte Mann seine Blumen weg und stand, die linke Hand unter die Batte seines Rockes gestemmt, mit glänzendem Gesicht da, nach Lorle hinüberschauend, etwas Farbiges prangte auf seinem Rocke; als ihn Lorle endlich erschaute, nickte er zweimal. Von diesem Tage an ward er nicht mehr gesehen, Lorle wußte nicht, was aus ihm geworden war; hätte sie das Regierungsblatt gelesen, so hätte sie erfahren, daß der Oberrevisor Körner einen Orden erhalten hatte und zum Kanzleirath ernannt war; er ward dadurch auf die Sonnenseite des Staatsgebäudes in das erste Stockwerk versetzt.
     
Fußnoten
     
    1 Hör', du dauerst mich, mit dem Heirathen hast du's nicht getroffen.
     
     
Die Flügel ausgebreitet!
    Eine tiefe, entsagungsvolle Schwermuth lag wie ein Bann auf Lorle. Sie sang einmal vor sich hin und plötzlich schaute sie auf, als hörte sie die Stimme eines Andern; sie erinnerte sich jetzt, daß sie seit Wochen und Monden kein Lied gesungen hatte, weder lustig noch traurig.
    Die Tage des Lebens, sie vergehen, ob wir sie einsam oder in Gemeinschaft mit den Zugehörigen, ob wir sie in Trauer oder Lust verleben; sie ziehen dahin wie flüchtige Schatten und kehren nimmer wieder.
    Lorle war überzeugt, daß die Schuld des getrennten Daseins nicht blos in dem Mangel an Kindersegen beruhe; dieser hätte wohl den Zerfall verhüllt oder ausgeglichen, aber die unzerstörbare Kraft der Liebe kann sich oft gerade da am mächtigsten bewähren, wo zwei Menschen sich allein Alles sein müssen. Die Eltern zu Hause hatten auch lange in kinderloser Ehe gelebt und die Bärbel erzählte oft, daß sie selber mit einander gewesen wie zwei Kinder, so selig vergnügt.
    Oft siecht ein Leben seine ganze Dauer hin und oft rafft es sich empor zu neuer, selbstbestimmter Wiedergeburt; es ist ein höherer Wille, der dazu erkräftigt, und zugleich die in sich gehaltene Charakterkraft. Sonne und Regen nähren und erschließen leise und allmälig die Knospe, die der Entfaltung entgegenreift; Sturm und Gewitter können sie urplötzlich sprengen.
    Da sind drei Menschen, sie gehen ruhig ihren Lebensweg, und doch verdoppeln sich oft die Pulsschläge ihres Herzens, als müßte jetzt unversehens eine Wendung des Geschicks eintreten.
    Lorle lebte still dahin, sie war den Kindern der Verstorbenen eine sorgsame Mutter und erfreute sich in diesem erweiterten Kreise ihrer Pflichten. Da Reinhard fast nie mehr mit ihr spaziren ging, war sie auch froh, nun eines der Kinder zur Begleitung zu haben.
    Reinhard war vielfach betrübt: er redete sich ein, daß ihm kein Bild mehr gelinge, auch hatte er viel Unruhe bei der ihm obliegenden Ordnung einer im Unverstand zusammengetrödelten Kupferstichsammlung. Dazu wurde trotz seines Widerspruches manches geschmacklose Bild angekauft, ja man nahm seinen Rath oft erst in Anspruch wenn der Kauf bereits abgeschlossen war; seine Mahnung, einheimische Künstler zu beschäftigen verhallte spurlos, denn man wollte fremde und glänzende Namen im Katalog haben.
    Der Collaborator hatte seit geraumer Zeit etwas Geheimnißvolles und Verschlossenes. Niemand ahnte, daß er nun in der That endlich in der Ausführung eines Werkes war, das wissenschaftlich und praktisch zugleich sein sollte, denn es auf nahm Gesetzesvorlagen in einem großen Staate Bezug, den man, nachdem die allgemeine Mißliebigkeit der Maßregel ihm zugefallen war, um so unbehinderter nachzuahmen strebte. Dort sollte nämlich unter der Herrschaft des Ritters von der Phrase der englisirte Sabbath und ein straffes Kirchenregiment eingeführt werden.
    Der Collaborator verrieth niemand sein Vorhaben, er hatte schon so oft gesagt, daß er dieses und jenes vollführen wolle, was doch unterblieben war; nun wollte er plötzlich auftreten. Er wußte, daß stark erscheinen oft wesentlich darin besteht: die Vorsätze und Schwankungen zu verbergen und dann mit fertigen Thaten zu überraschen. Der Weg nach der Hölle der Selbstanklage und der Verdammung durch Andere ist mit guten Vorsätzen gepflastert. – Mit einem Gluteifer, den er bisher noch gar nicht an sich gekannt hatte, arbeitete der Collaborator an seinem Werke und fand darin eine Erhebung, die kein noch so tiefes Denken und

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