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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Fingerdeuten auf den vordem Unbekannten, Unangefochtenen? Er glaubte erst jetzt sich selber achten zu dürfen. Nur der unbeschreibliche Jammer seiner Schwester Leopoldine that ihm weh. Vor der Schwelle einer gesicherten Zukunft hatte der Bruder sich selber den Weg abgegraben, das konnte die treue Gefährtin nicht verschmerzen. Sie hatte Gönnerinnen genug und lief von Haus zu Haus mit Bitten und Klagen, bis sie erfuhr, daß es sich zugleich auch darum handle, den eben von der Universität zurückgekehrten Sohn des Consistorial-Direktors in die zu erledigende Stelle einzuschieben. Von diesem Augenblicke an hörte man kein Klagewort mehr von ihr. Mit einer bewundernswerthen Stärke und Seelenruhe ließ sie nun Alles kommen und war freundlich gegen den Bruder, in dem sie ein Opfer der Familienränke sah.
    Lorle suchte jetzt Leopoldine wieder auf und sah mit tiefer Reue, wie unrecht sie gegen diese gehandelt hatte, die jetzt in Schmerz und Noth ihre Hochherzigkeit und ihren liebevollen Geist offenbarte. Auch Leopoldine erkannte nunmehr das gesunde Herz und die Zartheit Lorle's. Diese sagte einmal: »Ich glaub's nicht, aber wenn's auch wahr ist, daß der Herr Reihenmaier was Sündliches geschrieben hat, da wird ihn unser Herrgott schon strafen und besser machen; was geht das das Consistore an? Da kann kein König und kein Kaiser was machen, das muß Gott selber wieder in Einem zurecht bringen. Aber der Bruder ist ja so gut, er beleidigt ja kein Kind!«
    Die Oberbehörden hatten andere Grundsätze, der Collaborator wurde durch ein beispiellos rasches Erkenntniß als Gotteslästerer zu sechs Monaten Gefängniß verurtheilt und demzufolge seines Amtes entsetzt. Er recurrirte an das Gesammtministerium.
    Reinhard war eines Abends »
en petit cercle
« beim Prinzen, die Eingeladenen standen in einer Gruppe im Empfangsaale und harrten nach der Hofweise des Einladenden.
    Unversehens kam die Rede auf das Buch des Collaborators; ein junger Engländer bemerkte: »Solche Frechheiten darf man nie und nirgends dulden, das schamlose fade Buch sollte an den Galgen genagelt werden.«
    Reinhard hielt an sich und sagte nur mit ironischem Lächeln: »Sie zürnen, weil der Verfasser die Engländer das gottloseste Volk der Erde nennt, Sonntagschriften, die allsabathlich ihrem Lordsgott langbeinige Reverenzen machen, während sie in der Woche lieblos gegen die eigenen niederen Stände und egoistisch gegen alle Welt sind.«
    »Ich bewundere Ihre glückliche Gabe, es giebt Menschen mit einer besondern Anziehungskraft für Paradoxen und Trivialitäten,« entgegnete der Engländer.
    Reinhard biß die Lippen aufeinander und faßte krampfhaft seinen Rockschoß, als packte er den kecken Schwätzer, der jetzt fortfuhr: »Der aberwitzige Verfasser versteht kein Wort von Philosophie.«
    »So?« fuhr Reinhard fort, »also auch darüber wagt Ihr abzuurtheilen? Wo sich der deutsche Geist irgend in seiner Kraft äußert, da wagt Ihr's, ihn zu bespötteln. Mag die ganze vornehme Welt vor Euch krummbuckeln und der Affe Eurer Gentlemans-Rohheit sein, es giebt noch etwas Höheres« –
    »Seine königliche Hoheit!« hieß es plötzlich als eben der Comte de Foulard beschwichtigend sich einmengen wollte; die Gruppe zertheilte sich schnell und bildete zu beiten Seiten Fronte, durch die der Prinz begrüßend schritt.
    Wie war jetzt Alles plötzlich gedämmt! Die Gräfin Mathilde hatte wahr gesprochen, als sie einst gegen Reinhard bemerkte, daß die Etikette und die gesellschaftliche Form überhaupt den individuellen Tact oft ersetzen müsse.
    In mancherlei abliegenden Gesprächen suchten die Engländer, die sogleich gemeinschaftliche Sache machten, Reinhard zu reizen, ohne daß er in Gegenwart des Prinzen ihnen erwidern konnte; Reinhard fand indeß einen unerwarteten Beistand in dem Oberleutnant und Kammerjunker Arthur von Belgern, dem Vetter der Gräfin Mathilde.
    Als man die Gesellschaft verließ, sagte Belgern zu Reinhard: »Sie haben zwar dem ganzen Hofkreise den Handschuh hingeworfen, indeß erbiete ich mich gern zu Ihrem Secundanten. Es empört mich und Viele mit mir schon lange, welche Anmaßungen den Fremden bei Hofe gestattet werden; durch einige Mäßigung hätten Sie sich, ich darf wohl sagen, den besten Theil der Gesellschaft zu Dank verpflichtet.«
    Reinhard war es aber durchaus nicht darum zu thun gewesen, eine Partei zu gewinnen oder sich eine Coterie zu verpflichten; er hatte seinem Ingrimm Luft gemacht, und es that ihm nur leid, daß es nicht noch

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