Schwarzwaelder Dorfgeschichten
rasch aus dem Bett, er wollte nach dem Dorf, aber Luzian versprach Alles zu besorgen; er sprang rasch hinauf in die Kammer, kleidete den schlaftrunkenen Victor an und trug ihn auf den Armen dem Morgenrothe entgegen, hinauf in's Dorf. Der Weg durch den Wald war hier und dort mit Blutspuren bezeichnet.
Verlassen und verstoßen.
Im Hause Luzians war diese Nacht nicht minder überwache Verstörtheit. Bäbi saß allein in der Küche und befühlte stets mit dem Daumen die Stelle des Fingers, wo der Brautring gesessen; eine zart empfindliche Haut hatte sich hier unter dem breiten silbernen Ringe gebildet, und Bäbi war's oft als ob sie ein Stück von ihrer Hand verloren habe. Noch unbewußter hatte sich unter dem anerkannten äußern Verhältniß ein geschütztes Gedankengebiet in der Seele des Mädchens aufgethan, das war jetzt Alles dahin, der unbestimmten rauhen Wirklichkeit preisgegeben. Bäbi konnte nun still in sich hinein weinen. Sie glaubte jetzt erst zu wissen wie sehr sie den Paule geliebt; ist's denn möglich, daß er jetzt daheim umhergeht, ohne ihrer zu gedenken? Gewiß nicht. Sie wünscht sich Flügel, um ungesehen schauen zu können, was er jetzt treibe, wo er jetzt sei.
Ach Scheiden immer Scheiden,
Wer hat dich doch erdacht?
Hast mir mein junges Herze
Aus Freud in Trauern bracht.
Ade zu guter Nacht.
So sang sie und sann dann wieder still hin und her, ob es denn möglich sei, daß Paule sie verlassen habe. »Wie wird er denn leben können? wird derselbe Mund einstmalen zu einer Andern sprechen können: du bist mir das Liebste auf der Welt, du einzig und allein? O! die Männer sind falsch, aber der Paule doch nicht. Freilich, er muß bald heirathen, er hat keine Mutter, es muß bald eine Frau in's Haus. Er ist Wittwer und sein Vater auch, und ich bin auch eine Wittwe. Wenn man nur wüßte, wen er heimführt; es wär' doch Schad' um sein gut Herz, wenn er sich jetzt in der Eil' überrumpeln thät, ich möcht' ihm helfen eine Frau suchen. Nein, wir thäten keine paßliche finden, es gefiele mir doch keine. Und ich? Werd' ich denn einmal wieder einen Liebsten finden? Werd' ich denn einmal wieder Einen küssen und umhalsen können wie den Paule, daß man schier vergehen möchte vor lauter Lieb' und Freudigkeit? Nein, es giebt nur Einen Paule und keinen mehr so ohne Falsch und so grundgetreu; das kommt nicht mehr wieder. Und soll ich einmal wieder einen andern Schatz kriegen, wo steckt denn der Kerle jetzt? Am besten wär's er käm' jetzt gleich, jetzt könnt' ich ihn am nöthigsten brauchen, ich bin jetzt so traurig und so einödig, jetzt könnt' er mir über Zaun und Hecken helfen. Wenn ich einmal wieder von selber heiter und lustig bin, da brauch' ich dich nimmer, da kann ich schon allein fort. Komm jetzt, gleich, wenn du einmal kommen thust. Und wenn er so wär' wie der Paule, wär' mir's nicht recht, ich thät' mich vor ihm fürchten wie vor einem Gespenst, ich thät' hundertmal Paule zu ihm sagen und wenn er nicht so wär' wie der Paule, wär' mirs auch nicht recht ... Ich mein', ich müßt' meinem Paule mein Herzeleid klagen, er ist mir der Nächste von all den Meinigen und er ist's doch wieder, der von mir fort ist und über ihn hab' ich zu klagen ...«
»Ich lass' den Strick auf den Boden laufen, ich heirath' gar nicht.« Mit diesen letzten, fast laut gesprochenen Worten stand Bäbi auf und suchte die Gedanken zu verscheuchen die unstet hin und her flatterten. Gewaltsam heftete sie wieder ihren Sinn auf die Hoheit ihres Vaters: »Ihn kränkt's von meinem Paule gewiß noch mehr, oder doch so viel als mich. Und was werden die Leute sagen? Ich seh' schon wie sie allerlei Bedauern mit mir haben, und hinterrücks ist doch Manche schadenfroh, daß es mir so geht. Aber das leid' ich nicht, daß mir Eines in's Gesicht hinein auf meinen Paule schimpft; es geschieht mir kein Gefallen damit, im Gegentheil.«
Fast in demselben Augenblicke als Luzian im Geiste von Haus zu Haus wandelte, um zu erkunden wie man von ihm und seinem Kampf denke, schweifte auch der Sinn Bäbi's zu allen Freundinnen und Gespielen; aber sie hatte ihre Rundschau noch lange nicht beendet, als die Ahne plötzlich rief. Bäbi eilte zu ihr und die Ahne klagte fast zum Erstenmal bitterlich, wie man sie allein lasse und Alles verkehrt und rücksichtslos verfahre. »Ich weiß nicht,« sagte sie, »hundertmal geredt ist wie keinmal, und du machst auch kein' Thür zu, und man ist ja in dem Haus wie vor einem Blasbalg und
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