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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wurde. Der schrillende Ton war dahin, und das Wasser rauschte plätschernd über die unbewegten Räder. Dieses plötzliche Aufhören des weithin kreischenden Pfiffes machte Luzian verwundert aufschauen. Was ging dort unten vor? Er schritt rasch der Mühle zu. Die Bäume über ihm rauschten so wundersam, das tönte und klang in nächtlicher Stille heller als am Tage; dieses Säuseln und Rauschen in den Wipfeln floß immer weiter und weiter hinab, tief in den Wald, und still war's eine Weile in der Nähe; jetzt erhob sich wieder ein neuer Klang zu Häupten in den Zweigen, er schwoll immer mächtiger und mächtiger an, und brauste dahin. Wie wohlig lauscht sich's allvergessen in stiller Sommernacht dem ewigen Wogen des Waldes. Du kannst nicht sagen und deuten, was sich da spricht im Flüstern der Zweige, und doch erquickt dir's das Herz und durchströmt dich mit süßen Schauern.
    Wie wenn die tosende Tagesarbeit schweigt, du still hinhorchst auf das Weben und Walten in deiner Brust, so war es hier als ob das Ohr, an den Mühlenton gewöhnt, nun bei dessen Verstummen schärfer und voller das rastlose Wogen der weiten Natur in sich aufnähme.
    Friedsam als ob nirgends in der Welt Kampf und Widerstreit wäre, und ein Mensch dem andern die Lust des Lebens gönnte wie ein Baum des Waldes dem andern, so schritt Luzian dahin.
    Unweit der Mühle zieht sich der Weg einen dachjähen Hügel hinab. Luzian stand hier plötzlich still, denn er hörte wie vor dem Hause auf dem Sägbalken sitzend, zwei Männer mit einander sprachen, oder vielmehr der Eine redete.
    »Wie ich Euch sage, Egidi, es giebt nur zwei Wege: entweder fromm und streng an unsere heilige Kirche halten, oder – an gar nichts glauben: nicht daß der Mensch eine Seele habe, nicht daß es einen Gott gebe, nicht daß wir der Erlösung bedürfen«. Wie gesagt, entweder gut katholisch oder ein Gottesläugner, man kann nur zwischen dem Einen und dem Andern wählen; mitten drin stecken bleiben wie das Lutherthum, halb an die Bibel, halb an die Vernunft glauben, das ist, wie mein alter Lehrer in Freiburg gesagt hat, nichts als Festungsfreiheit; man ist in der Festung eingesperrt, darf jedoch innerhalb der Ringmauer frei umhergehen. Nichts davon. Entweder muß man alle Gelüste und Begierden ausgeschirren und sie im freien Felde rammeln lassen wie die Hasen, oder man muß sie festhalten mit Zaum und Gebiß der ewigen Glaubensgesetze. Ich weiß Egidi, Ihr seid von Grund aus ein fromm Gemüth, darum schließe ich Euch mein Herz auf. Von der Stund' an, da auf das schallose Haupt des Neugebornen das heilige Wasser herniederträuft, bis zu dem schweren Augenblicke, da die lebensmüden Füße des Sterbenden gesalbt und gesegnet werden, die nun ihren Erdengang vollendet haben: unablässig hält die Kirche leitend, schirmend und segnend die Hand über ihre Angehörigen. Unglückselig, wer sich ihr entzieht und sie von sich stößt. Ihr könnt in Eurer Mühle Verbesserungen finden, neue Räder anwenden, die Wasserkraft sorgfältiger benützen; in göttlichen Dingen aber ist Alles vom heiligen Geiste offenbart, und erbt sich unabänderlich fort von Geschlecht zu Geschlecht. Gäbe es hier eine neue Wahrheit, die nicht in dem Geoffenbarten läge, so wäre ja Gott der Allgütige ein Stiefvater gegen die vergangenen Geschlechter gewesen, die solcher Heilslehre nicht theilhaftig waren. Der Heiland und seine Lehre war in ihm und mit ihm vom Anbeginn der Welt. Wehe dem Armen, der seinen Weg allein gehen will, du folgst dem Irrlicht in den Sumpf.
    »Glaubt mir, Egidi, es ist ein schweres Amt, einzutreten in die heilige Schaar, die das Erlösungswerk forterbt; ich bin nichts, nur die Gnade wirkt in mir, ich bin nichts für mich, ich kenne nicht Vater nicht Mutter so sie nicht in dem Herrn wandeln, ich kenne nicht Weib nicht Kind, ich ziehe spurlos über die Erde, ein zerbrechlich Gefäß, das der Herr zerschmettert am Ende seiner Tage. Aber weil ich dem Herrn diene, so fürchte ich die Menschen nicht, sie müssen dem Herrn gehorsamen. Da bin ich für euch Alle zu jeder Stunde bereit zu rathen, zu helfen und zu erheben zum Herrn.«
    Der Mond trat aus den Wolken, und Luzian sah neben seinem Sohne den Pfarrer.
    »Ich kann's aber nicht leugnen,« entgegnete Egidi schüchtern, »mir thut es doch weh um meinen Vater, und es wird ihm arg weh thun, daß ich ihm den Victor weggenommen.«
    »Aergert dich dein Auge so reiß' es aus,« rief der Geistliche halb zornig, »Egidi, Ihr seid hochbegnadigt,

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