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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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sah ihren Vater vor sich stehen und blickte staunend in sein verwildertes Antlitz. Luzian aber sagte rasch: »Gut, daß du auf bist, lauf hurtig zur Hebamm', sie soll gleich zu des Egidi's Clor' (Clara) kommen, und dann sag's ihrer Mutter. Lauf tapfer, ich will schon drin im Haus wecken.«
    Luzian ging mit Victor in's Haus, und Bäbi rannte in den Strümpfen ohne Schuhe pfeilschnell das Dorf hinauf.
    Frau Margret machte sich rasch auf den Weg, und als Luzian nach einer Weile in den Hof ging, sah er den Oberknecht, der die beiden Braunen an den Wagen spannte.
    »Hast Recht, daß dich früh aufmachst,« sagte Luzian, »willst Klee holen?«
    »Nein, ich hab' noch genug für heut' von gestern Abend. Ich hab' noch zwei Fuhren Dinkel im Speckfeld, die müssen 'rein, und hernach will ich zackern.«
    Luzian nickte zufrieden und half eingeschirren. Stillstehend schaute er dann dem Wagen nach, der davon fuhr; das Schimmelfüllen sprang neben her, sich noch ledig tummelnd im frischen Morgenhauch. Luzian dünkte es schon ein Jahr, daß er sich nicht um sein Sach' angenommen hatte. Diese unablässige Stetigkeit des Arbeitens trat ihm jetzt in ihrer ganzen Erquickung vor die Seele; ihm war die ganze Welt aus den Fugen gegangen, hier aber verlief Alles regelmäßig, das kannte keinen Wirrwarr und konnte keinen ertragen. Die Natur arbeitet in stiller Unablässigkeit, und der Mensch, der in ihr wirkt, muß wie sie rastlos sich rühren; das hat seine festen Zeiten, die nicht verabsäumt werden dürfen, Sonne und Regen warten nicht bis du mit deinen anderweiten Anliegen fertig bist. Du magst den Hammer in der Schmiede, die Axt auf dem Zimmerplatz, den Hobel in der Schreinerwerkstatt ruhen lassen, eine Weile unausgesetzt anderen Dingen, Gemeinzwecken nachgehen, du kannst Alles leicht wieder aufnehmen, wie am Tage wo du es verlassen. Anders der Bauersmann. Die Sonnentage, die über dem Felde seiner harrten, kann er nicht wieder heraufrufen. Darum eignet sich der Bauersmann so selten zur Verfolgung von Anforderungen, die abseits dem von Kreislauf seiner Thätigkeit liegen. Des Herrn Auge macht das Vieh fett; wie leicht verkommt Alles, wenn der Herr fehlt. Muß es Dienende geben, unablässig belastet mit der Hände Arbeit, während der Herr den höheren Anliegen der Menschheit nachgeht, ist kein Zustand möglich, in dem sich Beides vereinigt?
    »Wenn du wieder kommst, geh' ich mit in's Feld,« rief Luzian dem Knechte nach und kehrte in's Haus zurück.
    Die Ahne war ganz glückselig, beim Erwachen ihn wieder zu sehen.
    »Mir hat heut' Nacht träumt,« erzählte sie, »du bist Pfarrer worden. Ich hab' dich predigen sehen, aber in einer ganz fremden Gegend, ich hab' alle deine Worte gehört, o! es war prächtig. Und du gäbest erst noch einen guten Pfarrer. Mein Vater hat's mehr als hundertmal gesagt: wenn's mir nachging', dürft mir Keiner vor dem fünfzigsten Jahr Pfarrer werden. Ein Pfarrer braucht nicht studirt haben und kein Examen machen, er muß sich in der Welt umthan haben mit offenen Augen, und sei er meinetwegen Holzhacker gewesen, er kann doch der best' sein, besser als alle Bücherpfarrer. Woher wollen denn die aus dem Seminare mitreden und Einem Trost und Hülf' geben? Sie haben ja selber nichts erfahren. Mein Vater, das war der gescheiteste Kopf auf dem je ein Hut gesessen ist, der kaiserliche Rath hat's auch oft gesagt.«
    »Heut' giebt's noch ein Urenkele,« sagte Luzian, »die Clor' wird eines bringen.«
    »So? Ja von deßwegen bist auch die Nacht nicht heimkommen. Wir haben lang' auf dich gewartet.«
    Luzian war still, die Kehle war ihm wie zugeschnürt. So oft die Ahne das Wort Pfarrer aussprach, ging ihm ein Stich durch's Herz; er konnte ihr jetzt nicht sagen, was vorgegangen war. Wird es ihr aber verborgen bleiben und ist's nicht besser, selber Alles zu bekennen? Einstweilen muß man abwarten und Ruhe suchen.
    Still sich vergrämend saß Luzian da. Von allen Qualen, die den Menschen heimsuchen können, ist die Selbstverachtung die höchste, freilich nur für ein ehrlich Gemüth, denn die zahllosen anderen kommen nie dazu, sich selbst die volle Wahrheit zu gestehen. Ueber den Aufrichtigen aber kommt die Pein doch nur vorübergehend, denn eben in der Aufrichtigkeit liegt schon die Gewähr, daß die Selbstverachtung eine unberechtigte ist.
    Luzian erkannte schwer, wie durch seine letzte That sein ganzes Streben verkehrt und verwüstet war.
    »Was hast du jetzt? Raufhändel und weiter nichts. Und du bist nicht mehr allein

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