Schwarzwaelder Dorfgeschichten
nirgends kein' Ruh' und Alles ist fort. Dein' Mutter heult mir auch den Kopf voll und du gunnst mir auch das Maul nicht und red'st kein Sterbenswörtle. Wenn halt mein Luzian nicht da ist, da hat der Himmel ein Loch.«
Die sonst so anspruchslose Ahne, die nie Jemand gern zu schaffen machte, war heute krittelig, hatte allerlei zu befehlen und zu wünschen, und doch war ihr nichts recht.
Bäbi schloß der Ahne bald ihr Herz auf, wie tief weh ihr zu Muthe sei.
»Laß das Sinniren sein,« entgegnete die Ahne, »man bringt doch nicht 'raus, wie's morgen sein wird; jeder Tag sorgt für sich selber. Wenn man heut' schon wüßt' was morgen wird, braucht' man ja morgen nicht leben. Zeit macht Heu. Mir ist's, wie wenn meinem Luzian ein schwer Unglück über den Hals käm'; wenn er sich nur nicht an dem armen Schelm, am Egidi vergreift.«
»Ich will dem Vater nach in die Mühle.«
»Nein, will denn Alles fortlaufen? Da bleibst.«
»Ich mein' ich hab' grad des Paule's Stimm' gehört,« sagte Bäbi wieder und wurde feuerroth.
»Kann mir's denken. Dir geht sein' Stimm' im Kopf 'rum. Was könnt' er denn da bei uns suchen? Hast du noch ein Geschenk von ihm?«
»Nein, aber vielleicht hat er's mit seinem Vater in's Reine bracht oder so, und er ist da und will –«
»Du kennst den alten Metard nicht, dem ist, mit Gutem sprich, die Seel' in den Leib gerostet. Dein' Mutter die schimpft auf den Paule und das leid' ich nicht. Wer gestern brav gewesen ist, der kann nicht – Plumpsack da bin ich – heut auf Einmal ein Nichtsnutz sein; wenn er auch einen Unschick begangen hat, er ist doch der Alt'. Wen man gestern gern gehabt hat, den kann man nicht heut' über alle Häuser 'nausschmeißen wie einen alten Schlappen. So ist's. Der Paule geht seinem Vater nicht von der Hand; er thut besser dran als der Egidi, der Latschi, der thut ja so übergescheit als ob er auf seines Vaters Hochzeit gewesen wär'.«
»Ja, bei seinem Vater bleiben muß man, mein Paule hat's grad so gemacht wie ich –«
»Gewöhn' dir die Red' ab; du kannst nimmer sagen: mein Paule« warf die Ahne ein; Bäbi schien es kaum zu hören, unverrückt in's Licht starrend fuhr sie begeistert fort: »Ich hab' heut fast die ganze Nacht nicht geschlafen, vor lauter Gedanken. Sonst ist so ein Sonntag rum gangen wie ein Tanz so schnell, man weiß nicht wo er hinkommen ist. Aber was haben wir gestern nicht Alles verlebt! Ich hab' sonst nie gewußt, daß man vor Gedanken nicht schlafen kann, aber gestern hab' ich's erfahren. Da hab' ich halt auch darüber gedenkt: wozu braucht man denn auch einen Pfarrer bei der Trauung? Wär's nicht viel schöner und heiliger, wenn in der Kirch', wo die ganze Gemeind' bei einander ist, der Vater vom Bursch und der Vater vom Mädle da vor ihnen stünd' und Einer nach dem Andern thät das Paar einsegnen und tränen? Der Vater ist doch eigentlich der Stellvertreter von Gott bei seinem Kind, und so eine Trauung vom Vater wär' doch erst recht heilig. Und mein Vater könnt' besser segnen als alle Pfarrer auf der ganzen Welt, und ich mein' ein jeder Vater, wenn er da auf dem Platz stünd', müßt' ein gut Wort vorbringen können. So ein Pfarrer ist doch ein fremder Mensch und mein Vater ist mein und ich bin sein bis zu der Stund.«
Die ganze erhobene Liebe Bäbi's zu ihrem Vater brach flammend auf. Die Ahne sagte verwundert: »Bäbi, du redest ja, man kennt dich gar nicht mehr.«
»So pfeift mein ... der Paule, ja, ja, das ist das Lied vom Nesselkranz,« sagte Bäbi plötzlich vor sich hin, auf die Straße hinaushorchend, »aber ich warte bis er 'rauf kommt.«
Bäbi hatte in der That recht gehört, Paule war da und wollte vor Allem mit Luzian sprechen, er strich um's Haus umher, ob er nicht Bäbi doch zufällig treffe. Endlich ging er zum Wendel und wollte dort die Ankunft Luzians abwarten. Erst spät in der Nacht kehrte er heim.
Lange besprach sich noch Bäbi mit der Ahne, bis diese endlich einschlief; auch die Mutter ging zu Bett und still war's ringsum. Bäbi holte sich noch eine Näharbeit, die zur Vollendung ihrer Aussteuer gehörte; hatte es mit dieser nunmehr auch keine Eile, so hielt die Arbeit doch wach. Kaum eine Stunde aber hatte Bäbi emsig und still bei der Oellampe gesessen, als ihr die Hände in den Schooß sanken und sie ermüdet einschlummerte. Das erste Pochen an der Thüre erweckte sie, denn in dem wachbereiten Schlafe ist das Ohr jedes Tones gewärtig.
Ohne daß man Jemand kommen hörte, öffnete sich der Riegel, Bäbi
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