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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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für dich ...«
    Mit diesen Worten erkannte er jene bindende Allverantwortlichkeit, die in der selbsterweckten oder überkommenen Sendung für das Allgemeine liegt; das ganze Thun und Lassen hört damit auf ein eigenes, beliebiges zu sein.
    »Mich dürfen sie für einen Lumpen halten, da läg' mir nicht viel dran, aber jetzt heißt's: Alle, die nicht an die Pfaffen glauben, sind Raufbuben, man sieht's ja. Das thut mir in der Seele weh. Jetzt hat der Pfaff Oberwasser. Ja, ich passe nicht zu einer solchen Sach', nein.«
    Hiemit betrat Luzian eine neue Stufe des Märtyrerthums: den Zweifel und die Verzweiflung an sich selbst. Tausendmal ist dieß nur Beschönigung der Ruhesucht, feiges Abschütteln einer unumgänglichen Aufgabe, aber hier war's die bitterste innere Zerknirschung. Luzian hielt sich in der That seines hohen Vorhabens unwürdig, die letzte That zeigte dieß für ihn und Andere. Tiefe Sehnsucht stieg in ihm auf, daß doch ein gewaltiger erhabener Mensch erstehe, der stark und heilig die Welt auf's Neue erlöse; wie gern wollte er ihm dienen, ihm Alles opfern, jedem Wink seiner Augen gehorchen, wenn es ihm nur vergönnt wäre, in den Reihen seiner Kämpfer zu streiten.
    Ich bin kein bisle mehr als ein gemeiner Soldat und dazu noch ein recht wilder, unbändiger.
    Darin sprach sich's aus, was er wünschte. Das tiefe Verlangen und Sehnen des Jahrhunderts gab sich auch hier kund. Wird ein gewaltiger Führer erstehen, der das Zauberwort findet, um die zerstreuten zahllosen Streitmuthigen in geschlossenen Reihen zu ordnen und sie die große Bahn zu einem neuen Leben zu führen? ...
    Als Luzian durch das Dorf ging, grüßte er Niemand, er wartete den zuvorkommenden Gruß ab; man solle nicht glauben, er demüthige sich oder suche jetzt einen besondern Anhang. Menschen, an deren Urtheil ihm ehedem so wenig lag, daß er gar nie daran dachte, diesen sah er jetzt scharf in's Gesicht; sie sollten und mußten ein Wort, einen Blick für ihn haben, er mußte sicher sein, was sie von ihm denken. Manchmal wurde er in der That zuvorkommend gegrüßt, aber er fragte sich wieder, ob das nicht durch die Nöthigung seines scharfen Anblickes geschehen sei. Wenige bemerkten seine Unruhe, und die sie bemerkten und darüber nachdachten, vermutheten einen entgegengesetzten Beweggrund, sie glaubten herausfordernden Stolz zu erkennen. Wo Zwei oder Mehre beisammen standen und Luzian ging vorüber, waren sie plötzlich still, gewiß hatten sie von ihm gesprochen. Der Rößleswirth sah zum Fenster heraus und als er Luzian kommen sah, zog er sich zurück und machte das Fenster rasch zu. Luzian war fest überzeugt, daß Alles auf ihn gemünzt sei, er, der sonst in sich so Feste, sah sich auf Einmal abhängig von den Mienen und dem Behaben eines Jeden. Dem Dieb brennt der Hut auf dem Kopf, sagt das Sprüchwort, und ähnlich erschien sich Luzian wie ein offenkundiger Verbrecher, der sich Wohlwollen und Anerkennung zusammenbettelt, die er vordem selbstverständlich inne hatte. Luzian wollte sich Alles aus dem Sinn schlagen und es gelang ihm, aber dieses Vergessen war doch nur wie der Schlummer eines Krankenwärters, eines Harrenden; das leiseste Geräusch weckt taumelnd auf.
    In der Schmiede, wohin nun Luzian ging, ward auch Alles plötzlich still, als er eintrat. Urban begann indeß: »Gelt, jetzt sind die Karten anders gemischelt? jetzt schenkt der Pfarrer dir die Trümpf', die du früher gehabt hast?«
    »Wie so?« fragte Luzian.
    »Du wirst doch nicht läugnen, du hast vergangene Nacht bei deinem Egidi den Pfarrer todtstechen wollen und hast ihn blutig geschlagen, aber der Pfarrer hat heilig geschworen, daß er nichts davon bei Gericht angeben will; er verzeiht dir's. Jetzt frag' um im Dorf, laß ausschellen: wer dir noch Recht gibt, soll sich melden.«
    »Du hast Glück,« sagte der Brunnenbasche, »du hast Glück wie jener Mann, der hat einen Floh fangen wollen und hat eine Laus gefunden.«
    »Mit dir red' ich gar nicht,« erwiderte Luzian und verließ die Schmiede in schweren Gedanken.
    Als er so in sich gekehrt, den Blick zur Erde geheftet hinwandelte, fühlte er plötzlich einen mächtigen Faustschlag auf dem Rücken. »Heilig Millionen,« knirschte er sich umkehrend und nach dem Schläger fassend. »Ah, du bist's,« sagte er und ließ ab als er Wendel sah, »du hast mich grausam erschreckt, es ist mir durch Mark und Bein gefahren.«
    »Warum? seit wann bist du so zimpfer?«
    »Guck, ich weiß nicht, ich bin dir so ängstlich im Herzen,

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