Schwarzwaelder Dorfgeschichten
es ist eine Schande, ich mein', die ganze Welt ist gegen mich, ich möcht' sie Alle vergiften, und da kommst du hehlings und giebst mir einen Schlag wie vom Himmel 'runter.«
»Bist denn eine schwangere Frau? Schäm' dich. Wenn du auch Eins kriegt hast, es ist nur eine Abschlagszahlung von nacht Abend.«
»Weißt auch schon.«
»Ja, und jetzt spielt der Pfarrer den Gutedel. Hab' ich dir's nicht gesagt, du wirfst das Beil zu weit 'naus? Dein Sach' ist bis daher eine reine, thauklare gewesen, und jetzt ist geronnen Blut drin.«
»Mach' mir keine Vorwürfe, ich weiß Alles, ich weiß ja; von dir hätt' ich am Ersten verlangt, daß du mir Trost einredest, statt daß du mich jetzt auch noch schändest.«
»Ich schwätz' dir kein Loch in den Kopf, wer bist denn? Kopf in die Höh! daß man den alten Luzian zu sehen kriegt. Narr, du hast nicht geschlafen, ich seh dir's an, du bist mauderig wie ein Vogel, der sich mausert. Jetzt laß dich nur nicht unterkriegen. Was du einmal than hast, dabei mußt du bleiben.«
»Ich hab's aber nicht gern than, ich bin in der Wildheit dazu kommen. Ich ließ' mir einen Finger abhacken, wenn ich den Pfarrer nicht geprügelt hätt'.«
»Luzian, das hab' ich nicht gehört, das hast du nicht gesagt, das darfst du nicht sagen, keinem Menschen. Vor der Welt mußt hinstehen, daß Alle die Augen unterschlagen, wenn du sie anguckst. Möchtest gerne Trost haben? Was Trost? Wer nichts nach der ganzen Welt fragt, nach dem fragt die Welt am meisten. So bist du, und so mußt du sein, und so bist du morgen am Tag.«
»Ich weiß wohl, ich bin nichts nutz, aber das thut mir weh, mein' Sach' ist doch gut.«
»Freilich, freilich, da dran halt' dich. Laß den Schlag ein paar Monat versurren, da hat das Ding ein ander Gesicht. Wir wollen zu Michaeli davon reden, wenn die Sach' bis dahin nicht ist wie der ferndige (vorjährige) Schnee.«
Dieser Zukunftstrost verfing bei Luzian nicht, denn er entgegnete: »Führ' du im Frühjahr einen Hungrigen auf den Kornacker und sag: da friß dich satt. Lug, Wendel, ich mein' es ist ein Jahr, aber es ist erst gestern gewesen, daß ich den alten Luzian hab' vor mir herumlaufen sehen, aber den Luzian von über'm zukünftigen Jahr, den kenne ich noch nicht, von dem weiß ich noch nichts und der hilft mir noch nichts. Sag du mir hundertmal: ich werde ein anderer muthfester Kerl sein, jetzt bin ich's noch nicht und jetzt braucht ich's. Ich hab' dir eine Angst fast zum Davonlaufen und weiß nicht wovor und weiß nicht wohin.«
»Das Stündle bringt's Kindle, sagen die Hebammen. Luzian horch auf, ich will dir was sagen. Sei kein Narr; im Gegentheil, sieh dir die Welt als ein Narrenspiel an, mach dich lustig darin so gut als es geht und so lang als es hält. Du bist gesund, hast Vermögen genug, laß dir dein Leben bekommen, es ist bald genug aus, eh man sich's versieht; und es dankt dir's kein Teufel, wenn du jetzt deine besten Jahre verkrimpelst und verbuttelst für nichts und wieder nichts, blos weil dir was einredest. Ich kann dir in sieben Worten all' meine Weisheit sagen: für was man die Welt ansieht, das ist sie Einem. Wenn ich du wär', ich wollt' mir ein ander Leben herrichten. Ich wünsch' dir nur meinen Leichtsinn, den geb' ich dir nicht für deinen besten Acker. Jetzt muß ich heim, es wartet ein Staatsmittagessen auf mich, ein Herrenessen, der König hat nicht mehr, es kommt in Allem nur darauf an, wie man's ansieht: ich hab' Gesottenes und Gebratenes. Die untern Kartoffeln im Hafen (Topf) die sind gesotten, und oben wo das Wasser einkocht ist, da sind sie braten.«
Man war am Hause Wendels angelangt und dieser ging hinein.
Ein neues Familienglied.
Als Luzian heimkam, hörte er schon vor der Hausthür, daß die Frau Egidi's ein Töchterchen geboren hatte.
Aus der Küche trat ihm die sporenklirrende Fidelität entgegen.
»Guten Tag Herr Doctor,« sagte Luzian.
»Guten Tag Herr Schwiegersohn,« lautete die Antwort.
Fast möchte man's bedauern, daß in den zehn Tagen, die wir jetzt schon in dem Hause verweilen, im Dorfe Alles körperlich wohlauf war, wir lernen dadurch das heitere Naturell erst jetzt kennen. Es ist aber noch immer Zeit.
Der Doctor Pfeffer von G., ein junger Mann mit geröthetem Antlitz, das die Kreuz und die Quer durchsäbelt war, kam nie in's Dorf, ohne das Haus Luzians oder vielmehr die Ahne zu besuchen. So oft man das Reitpferd des Doctors am Wirthshaus angebunden sah und er nicht dort zu treffen war, suchte man ihn bei der Ahne
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