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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Nacht. Vor dem Geiste Luzians sproßte ein neuer Wald auf. »Ich habe einmal in einem Buch gelesen,« dachte er, »daß irgendwo die Eltern bei Geburt eines Kindes einen Baum pflanzen. Wie schön müßte so ein Menschenwald sein, wenn das Jeder thäte, und die Gemeinde giebt einen Platz dazu her, und wenn der Mensch gestorben ist, und wenn der Baum keine Frucht mehr giebt, wird er umgehauen und zu etwas Nützlichem verwendet. Wie närrisch sind doch die Leute, daß sie glauben, es wäre etwas Höheres, wenn man aus einem Baum eine Kanzel, als wenn man einen Leiterwagen daraus macht; es ist ja Alles gut, wenn's recht ist. Und was für freudige Versammlungen könnten sein, von den lebenden Menschen im grünen Menschenwald!«
    Luzian war jetzt in der Stimmung, um sich in allerlei Schwärmerei zu verlieren, aber die Bande der Familie und des alltäglichen Wirkens hielten ihn fest.
    Trotz der weihevollen Art, mit der er das Kind im Walde getauft, war heute schon ein häßlicher Zornesmuth durch seine Seele gezogen. Die Frau war voll Jammerns und Klagens, sie sagte: »Mir ist so bang, so furchtsam, wie wenn in der nächsten Minut' ein großer Schrecken über mich kommen müßt', wie wenn eine Axt nach mir ausgeholt wäre und mir jetzt gleich das Hirn spaltete.«
    Auf diese Rede hatte Luzian mit bitterem Wort entgegnet. Jetzt fiel ihm all' das wieder ein, und er dachte: »Es ist unrecht, daß du von den Deinigen Hülfe verlangst in der Noth, im Gegentheil, du mußt ihnen Hülfe bringen, denn du hast ihnen die Noth gebracht.«
    Mit versöhnlichem Herzen kehrte Luzian heim. Er fand seine Frau gleich bereit, denn die Ahne hatte ihre Tochter scharf vorgenommen und ihr in's Herz gepflanzt, daß es jetzt gelte, die gelobte Treue zu bewähren; darum sagte Frau Margret nach Tische: »Luzian, mach' nur, daß die Sache bei den Gerichten bald ein Ende hat, und dann wollen wir fort aus dem Dorf, ich geh' mit dir, wohin es sei, nur fort; ich wollte, ich könnte auch all' die Menschen aus meinem Gedächtnisse vergessen, die jetzt so gegen uns sind.«
    »Ja,« sagte die Ahne, »wenn das die Religion ist, daß man Einen verschimpfirt und Einem Dinge nachsagt, woran sein Lebtag Keins gedacht hat, da will ich lieber gar kein' Religion.«
    Die Frauen hatten nämlich erfahren, daß man Luzian die gräßlichsten Unthaten nachredete. Man wollte in der Vergangenheit Belege für sein gegenwärtiges Handeln finden, und Nichts war zu heilig, das man nicht antastete.
    Es giebt Gedanken und Aussprüche, die, ohne unsere Seele zu treffen, sie doch so widrig beleidigen, wie wenn man nahe vor dem offenen Auge mit einer Messerspitze hin- und herfährt. Wir scheuen uns fast, es zu sagen, aber es gehört mit zur Geschichte: selbst das Verhältniß Luzians zur Ahne wurde mit dem niedrigsten Geifer besudelt. Niemand konnte sagen, woher diese Nachreden kamen, man konnte die Urquelle nicht entdecken, sie sprangen aus dem Boden, da und dort; während man die eine verfolgte, brach die andere los.
    Frau Margret eiferte über ihre Mutter, sie hätte Luzian nichts von dem Geschwätz sagen sollen; aber die Ahne sagte:
    »Ich kenn' meinen Luzian. Wenn er auch alles Schlechte von den Menschen weiß, er wird doch keinen Haß auf sie werfen. Die Menschen sind mehr dumm als bös; den Kaiser Joseph haben sie vergiftet, und dir Luzian möchten sie gern dein gut Gemüth mit bösen Nachreden vergiften. Das geht aber nicht, gelt ich kenn' dich? Ich trag' dein Herz in meinem Herzen.«
    Luzian ließ sich nun Alles erzählen: wie er schon lange im Geheimen lutherisch sei und versprochen habe die katholische Kirche zu beschimpfen, wie er die Waisen betrogen, wie er diesen und jenen zur Gant gebracht, um nachher dessen Aecker aufzukaufen, und Hundertfältiges dieser Art. Er hörte es mit Gleichmuth an. Ihm kam es vor, als ob man das von einem andern Menschen sagte; die Leute mußten ja selbst wissen, daß Alles erlogen sei, dennoch stellte sich bei ihm ein Gefühl des Ekels und dabei eine stille, aber gründliche Verachtung ein. Er hatte es nie geglaubt, daß man es wagen könnte, seinen Namen mit derlei Dingen in Verbindung zu bringen. Auf der Straße faßte er Diesen und Jenen an und sagte: »Hast auch schon gehört? ich bin schon lang ein geheimer Lutherischer? Ich habe die Waisen betrogen, den und jenen in die Gant gebracht.« – Die Verleumdung über das Verhältniß zur Ahne berührte er nicht, das war zu empörend. – »Nun, was sagst du dazu?« schloß er in der Regel

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