Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Sache allen Frauen, die auf der Mühle anwesend waren; diese Offenkundigkeit mußte sowohl die Bedenken bei Bäbi heben, als auch zugleich sie fesseln, da man nun doch einmal allgemein davon redete. Unser Doctor irrte sich aber gewaltig. Er überschritt in seiner Burschikosität unbewußt die feine Grenzlinie, die zwischen Derbheit und Leichtfertigkeit gezogen ist; auch der vierschrötigste Bauer kennt diese wohl, und es beleidigt ihn, wenn so Viele, wie hier unser Doctor, um sich der volkstümlichen Denkweise anzubequemen, eine gewisse Rohheit in Ausdruck und Behandlung ernster Verhältnisse annehmen. Um nicht gekränkt zu sein, mußte Luzian die Angelegenheit entschieden und wiederholt als Scherz auslegen.
    Zwischen Egidi und seiner Mutter war eine wortlose Versöhnung eingetreten. Hier galt es zu helfen, und da war von Streit nicht mehr die Rede. Die Mutter wirtschaftete lebendig im ganzen Hause, und Egidi kam mehrmals zu ihr in die Küche und sagte, sie möge nur sich selbst nicht vergessen, sie möge sich etwas Gutes bereiten, sie allein habe zu befehlen und nicht die Schwiegermutter »und« setzte er in seltsamer Einfalt hinzu, »thuet nur, wie wenn Ihr in Eurem eigenen Hause wäret und nehmet Euch Alles ungefragt. Soll ich Euch klein Holz spalten?« Ohne Antwort abzuwarten fing er an, und mußte fortgejagt werden, da die Wöchnerin nebenan jeden Schlag spürte und eben einschlafen wollte.
    Egidi sprang und pfiff im Hause herum wie ein lustiger Vogel auf dem Baume, der in die Welt hinein verkündet, daß jetzt eben ein junges Küchlein im Neste die Augen aufschlug.
    Am andern Morgen stand Luzian nach fast zwölfstündigem Schlafe wohlgemuth auf. Die ganze Welt, die aus den Angeln schien, hielt sich doch noch in ihrem Kreislaufe, und Luzian fühlte sich wieder muthfest. Er pflügte den ganzen Morgen ohne Unterlaß draußen im Speckfelde, er empfand es still, daß das doch eigentlich die Arbeit sei, die er am besten verstehe.
    Kaum ist die Frucht vom Felde eingethan, so wird der Boden mit scharfem Pfluge wieder umgelegt, die abgestorbenen Stoppeln werden entwurzelt und verwandeln sich in neue Triebkraft, der aufgelockerte Grund ist bereit, sich von Sonnenschein und Regen durchdringen zu lassen, bis er neue Saat empfängt. Das Wachsthum des Menschengemüthes gleicht nicht dem vergänglichen Halme, eher dort dem Fruchtbaume, der bleibt bestehen und harrt neuer Frucht am selben Stamme.
    Luzian fühlte sich jetzt so wohl und heimisch in seiner Arbeit, daß es ihm am liebsten gewesen wäre, wenn der ganze Handel mit dem Pfarrer ein Traum wär.
    Es ist ein ganz Anderes, mitten in den gewohnten Lebensverhältnissen einen Charakter still ausbilden, als dann zum Kampfe heraustreten und unablässig in demselben stehen.
    Tausende wünschen jetzt den Krieg und sagen: nur das kann von der fieberischen Aufregung erlösen. Wer weiß, wie bald sie sich aus dem Leben im Feldlager heimsehnen würden. Der neue Kampf muß den Muth erfrischen.
    Als Luzian mit dem Pflug heimkehrte, begegnete ihm Egidi, der betrübt vom Pfarrhause kam.
    »Was hast?« fragte Luzian.
    »Vater,« entgegnete Egidi, »Ihr müsset aber nicht grimmig sein, ich kann nichts dafür, ich hab' eben dem Pfarrer die Taufe von meinem Kinde angezeigt, sie ist nächsten Sonntag und es soll auch Kordula heißen wie die Ahne; und da hat mir der Pfarrer gesagt, daß nicht die Ahne und nicht Ihr und nicht die Mutter und nicht das Bäbi in die Kirch' kommen darf, sei's als Gode oder als Taufzeuge; ihr seid Alle im Kirchbann.«
    »Gut, gut,« sagte Luzian, »du hast ja dein' Schwiegermutter und deine zwei Schwägerinnen.«
    »Nicht wahr, Vater, Ihr seid mir nicht bös? ich kann ja nichts dafür, und ich muß doch mein Kind taufen lassen.«
    »Freilich, freilich, aber ich muß jetzt essen, ich kann schier nicht mehr lallen,« so schloß Luzian und sprang den Pferden nach, die ihm voraus heimgeeilt waren.
    Bei Tische fragte Luzian den Victor: »Bist wieder gern in der Schul' und wie geht dir's?«
    »Ihr hättet mich nicht 'rausthun sollen, wenn ich wieder 'nein muß,« entgegnete Victor, »der Pfarrer hört alle Kinder ab in der Religionsstund', und mich übergeht er, wie wenn ich gar nicht da wär'.«
    Luzian legte den Löffel ab, er konnte nicht weiter essen; er fühlte tief den Vorwurf des Kindes, indem er eine rasche That begonnen und sich doch zur Nachgiebigkeit bequemen mußte. Dabei empfand er, wie tief kränkend solches offenkundige Uebergehen für ein gut geartetes

Weitere Kostenlose Bücher