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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Elend, Ungleichheit und Ungerechtigkeit in der Welt sehen, so denken wir uns ein unsichtbares Wesen, das Alles schlichtet und in's Gleichgewicht bringt; aber wenn ein Ruchloser vom Blitz erschlagen wird, so sagen wir oder vielmehr die Pfaffen: das ist der Finger Gottes. Wird ein Rechtschaffener getroffen, so heißt es dagegen: die Wege des Herrn sind unerforschlich. Das Eine wie das Andere ist nichts als Stümperei und Redensart. Weil wir so viel Verkehrtheit in der menschlichen Gesellschaft sehen, so erdenken wir uns ein Jenseits, in welchem das Böse und das Gute vergolten werden soll, und das ist doch weiter nichts, als daß wir uns die lästigen Fragen vom Hals schaffen. Nein, wer zur Vernunft gekommen ist, braucht keinen Gott und keine Unsterblichkeit.«
    Diese letzten Worte waren wie fragend ausgesprochen, aber Luzian antwortete nicht; sein ganzes Antlitz war in starrer Spannung, und der Oberamtmann fuhr fort:
    »Wer tiefer in die Welt hineinsieht, der erkennt, daß Alles Notwendigkeit ist, daß es keinen freien Willen giebt. Ich habe keinen freien Willen, sondern wenn ich genau hinsehe, muß ich Alles thun, was ich zu wollen scheine, und das Weltall hat auch keinen freien Willen, der gegen die Gesetze in ihm herrschen könnte, denn das wäre Gott. Freier Wille in uns und Wunder in der Natur ist ganz dasselbe. Was ich jetzt thue, daß ich jetzt so mit Euch rede, das ist die notwendige Folge einer endlosen Kette von Ursachen, von Ereignissen in mir und mit mir, denen ich gehorsamen muß; weil Alles in der Welt Notwendigkeit ist, darum liegt in dieser schon was man Strafe und Lohn nennt, eingeschlossen. Der Eine fügt sich in sein Schicksal, weil er es als den unabänderlichen Willen Gottes, der Andere, weil er es als eine unabänderliche Notwendigkeit erkennt; es kommt am Ende auf Eins heraus. Wir müssen still halten, Sonnenschein und Hagelwetter über uns kommen lassen, und am Ende wieder tüchtig die Hände rühren; denn das, was man Gott nennt, thut Nichts für uns, wir müssen's selber thun. Nicht wahr, ich bin Euch noch nicht in Allem ganz deutlich?«
    »Nein, aber nur eine Frage: warum sind Sie denn rechtschaffen, wenn's keinen Gott giebt und keine Vergeltung? Es ist doch oft viel angenehmer, ein Bruder Lüderjan zu sein?«
    »Wie ich Euch schon sagte, das, was uns wahre Freude macht, ist auch das Gute, alles Andere ist ein schneller Schnaps, bei dem das Brennen nachkommt. Ich thue meine Pflicht, nicht, weil sie mir von Gott geboten ist, sondern weil ich sie mir selber auferlege und sie festhalten muß zur Selbstachtung. Wenn ich meine Pflicht vernachlässige, verliere ich die Ehre vor mir selbst, und wenn ich einem Menschen, wie man's nennt, über meine Pflicht hinaus Gutes erzeige, so thue ich an mir selbst fast noch mehr Gutes, als an dem, der die Wohlthat empfängt. Daß ich weiß, den Armen erquickt mein Stück Brod, das thut mir oft wohler, als dem, der es kaut. Seitdem ich an keinen Gott mehr glaube, seitdem bin ich, wie man's nennen möchte, noch viel demüthiger geworden. Alles was ich bin, das ist eine Notwendigkeit, und Alles, was ich thue, ist meine Schuldigkeit, ich habe nicht Ehre, nicht Lohn, nicht Dank von Jemand anzusprechen. Luzian, ich könnte bis morgen nicht fertig werden, wenn ich Alles darlegen wollte. Ich rede so offen zu Euch, weil ich vor Euch Respect habe. Entweder hat sich Gott einmal geoffenbart und thut es noch fort in seinen gesalbten Priestern, oder Gott hat sich nie geoffenbart, und wir haben gar nichts nach alledem zu fragen, was man bisher geglaubt hat. Drum sage ich: entweder muß man ein guter Katholik sein und Alles hinnehmen, wie man es überliefert bekömmt, oder frisch über Alles hinweg, Jeder sein eigener Priester und Heiland. Entweder katholisch oder gottlos. Meint Ihr nicht auch?«
    »Nein, das mein' ich nicht,« rief Luzian laut, sich erhebend, »das letzte Wort, das Ihr da gesagt habt, hat der Pfarrer auch gesagt, es ist aber doch nicht wahr. Kann sein, ich bin nicht studirt genug, aber da gilt keine Gelehrsamkeit. Sehen Sie, Herr Oberamtmann, ich hab' mir in diesen Tagen mein ganzes Leben zurückgedacht, da hab' ich gesehen, es ist der Finger Gottes, eine väterliche Fürsehung darinnen. Hundert Sachen, die ich grad am ungernsten than hab', und die ich als mein größtes Unglück angesehen hab', die sind mir zum besten geworden; unser Herrgott hat gewußt was daraus wird, ich aber nicht. Das ewige Leben? ja, das kann ich mir nicht vorstellen, weil ich an

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