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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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müßte ihr böse sein, weil sie ihn beleidigt habe; er wußte aber nichts von Groll. Das zeigte sein heutiges Thun.
    Unser Doctor war Menschenkenner genug, um zu wissen, wie weich und empfänglich ein verlassenes Mädchenherz ist, wie halb Verzweiflung halb Sehnsucht leicht einen kühnen Freier aufnimmt; er erneuerte daher jetzt frischweg seinen Antrag bei Bäbi, aber mit so viel Schonung, daß die abweisende Antwort des Mädchens nur als zögernder Aufschub erscheinen konnte. Er hatte so eben, Bäbi's Hand fassend, ihr versprochen, nicht mehr von der Sache zu reden, bis sie selbst davon anfinge. Es war als ob er mitten im Brande des Hauses das verlassene Mädchen sich erobern würde, als eben Luzian hereinkam; vor ihm scheute er sich jetzt mit seinem Anerbieten hervorzutreten, er ging mit ihm nach der Stube und setzte sich mit einer gewissen heimischen Art, die Luzian dahin mißdeutete, als ob er zeigen wolle, er thue dem geächteten Hause durch seinen Besuch eine Ehre an.
    Die Ahne hatte verweinte Augen, auch aus der Küche vernahm man durch das Schiebfensterchen bisweilen das Schluchzen Bäbi's. Luzian bemerkte wohl, daß seine Raufhändel hier bekannt worden waren, aber er dachte still: »Ihr müßt euer Theil eben auch haben.«
    Das war jetzt ein Hauswesen, so verstört und aufgescheucht, als ob es nie eine Heimat ruhiger Menschen gewesen wäre.
    Nach einer Weile sagte Luzian: »Herr Doctor, kommet mit zum Egidi, sehet einmal nach der Kindbetterin.«
    Der Doctor bestieg sein Pferd und Luzian ging neben ihm her den Waldweg nach der Mühle. Luzian fühlte schwer, wie einem Menschen zu Muthe ist, der immer hin und her getrieben von einem Orte zum andern, nirgends eine sichere Ruhestätte und häusliche Erquickung hat.
    Als die beiden Männer fort waren, kam Bäbi in die Stube und sagte: »Ahne, Ihr dürfet den Doctor nicht so oft wiederkommen heißen, Ihr müsset ihn nicht so in's Haus zeiseln (locken).«
    »Warum?«
    »Denket nur, er hat mir heut' wieder was davon vorgeschwatzt, daß er mich heirathen will, und es sind noch nicht drei Tag', daß ich nicht mehr Hochzeiterin bin.«
    »Laß ihn seine Späß' machen, er ist ein guter Mensch, und wir dürfen jetzt nicht alle Leut' aus dem Haus verscheuchen, es läßt sich ja ohnedem Niemand mehr sehen. Gelt Bäbi, der Pfarrer hat deinen Vater gewiß zu den Raufhändeln gezwungen? Ich bleib' dabei: was mein Luzian thut, das ist brav.«
    Unterdeß eilte Luzian mit dem Arzt der Mühle zu.
    An der Berghalde stieg dieser ab und zog sein Pferd am Zaume nach, um so gleichen Schrittes mit Luzian besser mit ihm reden zu können.
    »Wie meinet Ihr Schwäher?« sagte er, »wie wär's, weil ich doch die Ahne nicht heirathen kann, wenn Ihr mir das Bäbi zur Frau gäbet? Ich bleib' dann doch in der Familie und werde nicht verfremdet.«
    »Es ist jetzt kein' Fastnachtszeit.«
    »Was ich sag', ist so klar wie Klösbrüh und ist mir grundbirnenernst. Ohne Spaß, ich nehm' das Bäbi, wie es geht und steht und liegt. Der Paule giebt das Bäbi auf wegen der Pfaffengeschichte, mir ist das ganz Wurst, im Gegentheil, die Tochter von einem Ketzer ist mir noch was Besonderes. Ich habe einen guten Freund von der Universität her, wir nennen ihn den Rollenkopf, der traut uns morgen, wenn Ihr einstimmt.«
    »Weiß das Bäbi von Eurem Vorhaben?«
    »Gewiß, sie ziert sich noch ein Wenig, aber sie thät doch gern schnell Ja sagen, wenn sie sich nicht vor der Welt scheute. Wenn Ihr ein Wort fallen lasset, ist die Sache abgemacht. Nun? Stünde ich Euch nicht an als Schwiegersohn?«
    »Ja, ja, warum denn nicht?« entgegnete Luzian. Er war fortan äußerst schweigsam, bis man am Bestimmungsorte anlangte; desto mehr redete der Doctor.
    Auf der Mühle bekundete er die äußerste Sorgfalt für die Wöchnerin und das Kind, und da man einmal zur Apotheke schickte, verschrieb er auch noch eine schnellheilende Salbe für die Kopfbeule, die Egidi beim Falle erhalten hatte. Scherzend gratulirte er Egidi zu seinem neuen Schwager, als welchen er sich selbst vorstellte.
    Unser Doctor hatte sich in ein seltsames Verfahren verrannt, bei dem eben so viel augenblickliche Laune als Berechnung war; er, der die Weise des Volkes so gut kannte, glaubte seine Brautwerbung doch in scherzhaftem Tone halten zu müssen; das schien ihm der derben Art seiner künftigen Schwägerschaft angemessen, und sollte ihn und sie über alle etwaige Peinlichkeiten und Erörterungen hinwegheben. Aus diesem Grunde verkündete er auch die

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