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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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einer Weile fuhr sie fort: »Ich vergeb' dir, Christian, du hast's doch gut gemeint; jetzt kommt mein Vater und der kaiserliche Rath.«
    Die Frauen umdrängten Luzian und sagten: man müsse den Pfarrer holen. Luzian entgegnete, die Ahne habe ihm in gesunden Tagen ausdrücklich gesagt, sie wolle keinen Pfarrer; endlich aber willfahrte er doch den Bitten und Thränen, zumal man ihm vorstellte, es werde zu neuen Verleumdungen Anlaß geben; man werde die Aussage der Ahne nicht glauben, und er habe nur ein Recht, mit seiner eigenen Seele zu machen, was er wolle, nicht mit der der Ahne. Luzian gab endlich nach.
     
Ein Gang in's Pfarrhaus.
     
    Wir haben Luzian auf Schritt und Tritt so unablässig begleitet, daß wir uns fast ausschließlich in seinem Hause einbürgerten. Jetzt wird es uns fast so schwer wie dem Luzian selbst, nach dem Pfarrhause zu gehen.
    Das acht Fenster breite Haus hat an der Straßenseite keinen Eingang, wir müssen über den eingefriedeten Rasenplatz an der Kirche und dort an der verschlossenen Thüre klingeln.
    Wir schreiten über einen bedeckten Gang, stehen nochmals vor einer verschlossenen Thür, die sich aber durch einen Zug von innen öffnet. Wie friedsam und still ist es hier; Treppe und Hausflur sind so rein wie geblasen, die Wände sind schneeweiß getüncht; kein Ton ließe sich hören, wenn nicht ein weißer Spitzhund bellte, den ein großes, stattliches Frauenzimmer, halb bäurisch gekleidet, zu beruhigen sucht. Das ganze Haus steht da wie eine stille Klause, mitten im lärmenden Getriebe der Menschen. Es ist ein Anbau an die Kirche und es scheint sich darin zu wohnen, so andächtig still, als wohnte man in der Kirche selbst. Schüttle den Staub von den Füßen und wandle durch die Reihe der Zimmer, sie sind alle weiß getüncht, spärlich mit Hausrath versehen, denn es hat keine familienhafte Gemeinsamkeit hier ihre Stätte. Nirgends liegt da oder dort eines jener hundertfältigen Werkzeuge des Haushaltes in anheimelnder Zerstreutheit umher. Alles hat seinen gemessenen Ort und scheint fest zu stehen, wie die großen braun lackirten Kachelöfen. Eine gewisse Oede liegt in der dünnen Luft. Die Schlösser an den Thüren gehen hart. Ein Cruzifix ist die einzige Verzierung jeden Zimmers, nur in dem vorletzten, in das wir jetzt treten, wo das Bett mit drüber gebreiteter weißer Decke steht, hängen außerdem noch Steinzeichnungen der Evangelisten, und zu Häupten des Bettes das Bildniß des Papstes Pius IX. in schwarzem Rahmen. Jetzt endlich treten wir in die tabaksdampferfüllte Studirstube. Wir treffen hier eine außerordentliche Anzahl von Büchern, denn unser Pfarrer gehört zu denen, die neuerdings mit dem Protestantismus um die Palme der Wissenschaft ringen. Nicht umsonst hat er schon auf der Universität den theologischen Preis gewonnen durch eine Abhandlung über das Verhältniß der Neuplatoniker zu den Christen. Schon früh am Morgen treffen wir ihn vollständig angekleidet in seiner Studirstube, denn er hat, wie sich's gebührt, nüchtern die Messe gelesen und sein Tagewerk wäre nun eigentlich vollendet, wenn er nicht selbst sich ein neues auferlegte. Er ist von dem entschiedensten Eifer beseelt, thätig an mehreren Zeitschriften, und verfolgt mitten im Kleingewehrfeuer derselben mit Eifer alle Erscheinungen im Gebiete theologischer Literatur. Selten wird diese Morgenstille von der Anmeldung einer Taufe oder sonstiger Amtshandlung unterbrochen. Nur manchmal macht sich der Pfarrer plötzlich auf und überrascht den Lehrer in der Schule mitten im Unterricht. Am Mittagstisch sitzt er still bei seiner Schwester, die ihm durch die Vermittlung der Magd das Leben in allen Häuslichkeiten zuträgt. Erst gegen Abend geht der Pfarrer aus, und obwohl von streng ascetischer Richtung, weiß er doch nirgends anders hinzugehen als in's Wirthshaus. Dort sitzt er im Gespräche mit Gemeindegliedern, die sich ihm nähern und mit zufällig eingetroffenen Bekannten, oder auch oft allein. So vergeht ein Tag um den andern. Er hat keine lebendige Verbindung mit den Dorfbewohnern, er ist nur auf den Ruf der Vorgesetzten hierher gefolgt und morgen bereit, an einem andern Orte die Lehre zu verkünden und die Weihe zu vollziehen.
    Seit geraumer Zeit aber ist der Pfarrer voll Unruhe. Die Landeszeitung lieferte allwöchentlich fortlaufende Aufsätze über die höhere und niedere Kirchenverwaltung. Diese Darstellungen zeugten von genauester Kenntniß des ganzen Mechanismus und enthielten epigrammatische

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