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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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er wieder:
    »Ja, du kannst doch aber nicht da schlafen?«
    »O da ist schon für gesorgt; ich schlaf' bei des Wendels Agat, die beim Oberamtmann dient, die Madam hat mir's schon erlaubt.«
    Jetzt fühlte Luzian doch, daß es Herzen außer uns giebt, deren Pulsschlag der unsere ist.
    Von nun an war Bäbi fast den ganzen Tag beim Vater, sie spann fleißig an der Kunkel, während Luzian in den Büchern las, die ihm der Amtmann und der Doctor gegeben hatten. Das Lesen ward ihm doch schwer; das war kein Geschäft für ihn, Morgens beim Aufstehen, Mittags wieder und Abends noch einmal. Er hielt es in Einem Zuge kaum länger als eine halbe Stunde aus, und wenn er dann wieder begann, las er das Alte noch einmal, weil es ihm vorkam, als ob er's nicht recht verstanden habe.
    »Es ist etwas anderes, wenn das Lesen ein Schleck (Leckerbissen), als wie wenn es ein Geschäft ist. Guck, deßwegen habe ich mich auch im Stillen immer davor gefürchtet, einmal Landtagsabgeordneter zu werden. Ich bin nicht so dumm, ich red' auch gern mit drein, wie man den Staat und die Gemeinde und wie man die Gesetze einrichten soll; aber das kann ich nur, wenn ich den Tag über geschafft hab'. Wenn ich so im Ständehaus, in dem großen Saal, bei den vielen Menschen vier, fünf, sechs Monate sitzen und weiter Nichts thun sollte als ein' Tag wie den andern von neuen Gesetzen, von den Finanzen und von all dem hören und da mitreden: mir ging der Trumm (Faden) aus.«
    So sagte Luzian zu seiner Bäbi. Bäbi übernahm es nun oft, dem Vater vorzulesen. Ein Buch besonders war es, das Luzian mächtig anzog und über das er viel sprach; es war das Leben Benjamin Franklins und dessen kleinen Aufsätze.
    »Ich geb' das Dutzend Evangelisten und die großen und kleinen Propheten drein für den einzigen Mann,« sagte Luzian einmal.
    Der Doctor und der Oberamtmann kamen bisweilen gemeinsam, und ersterer noch öfter allein. Da gab es dann manche gute herzstärkende Gespräche, bei denen Bäbi still zuhorchte. Die Art des Doctors hatte etwas besonders Wohlthuendes. Man sah es wohl, auch der Oberamtmann bemühte sich, seine innere Leutseligkeit kund zu geben, aber er war und blieb doch etwas bockbeinig, wie es der Doctor einmal nannte. Dieser dagegen war harmlos lustig, er hatte sich im Ton nicht erst herunter zu spannen; sein Benehmen gegen Bäbi war ein durchaus unbefangenes, als ob er nie Ansprüche auf sie gemacht hätte, und nie Etwas zwischen ihnen vorgefallen wäre. In der That betrachtete er die Sache als längst abgethan und erledigt, und eben dadurch gewann Bäbi eine gewisse verwandtschaftliche Zutraulichkeit zu ihm, wie zu einem Vetter. Das gestand sie ihm einmal, und er nannte sie seitdem nicht anders als »Jungfer Bäsle«.
    Luzian betrachtete oft im Stillen seine Tochter und den Arzt. Sollte sich da wirklich eine entschiedene Neigung festsetzen? Das kam ihm bei seinem Vorhaben sehr in die Quere, und doch griff er nicht ein.
    Die Hälfte der Strafzeit war noch nicht um, als Luzian alle Bücher satt hatte, und gar nichts Gedrucktes mehr lesen konnte. Er hatte zu viel Bücher auf Einmal bekommen, das war gegen alle Gewohnheit von ehedem, und als ihm das eine nicht mundete, versuchte er es mit einem zweiten und so mit einem dritten; es gelang ihm dadurch nicht mehr, mit dem alten Appetit zu einem angebissenen zurückzukehren. Er blätterte darin, wollte da und dort einen Brocken holen, und legte endlich das Ganze weg.
    Es war Bäbi auch lächerlich, wie vielleicht vielen Anderen, aber Luzian ließ sich nicht davon abhalten: er setzte sich zu seiner Tochter an die Kunkel und lernte mit ihr den Flachs spinnen. Das war eine kleine Arbeit und allerdings nicht geeignet für einen Mann von so kraftvollem Baue wie Luzian, aber es war doch eine Arbeit; man hatte dabei nicht mit dem Kopf zu thun wie immerfort beim Lesen. Bäbi sagte oft, sie thäte sich die Augen ausschämen, wenn ein Mensch sähe und wüßte, daß ihr Vater an der Kunkel sitzt und spinnt; aber Luzian gewann eine wirkliche Freude an diesem Thun, das ihm die Tage und Abende verkürzte, und wenn er so bei seiner Tochter saß und mit ihr spann, wie er es bald meisterlich verstand, so konnte er auch viel besser reden, als wenn er so arbeitsledig war. In den Stunden, in welchen Vater und Tochter an Einem Rocken spannen, war es oft, als ob strahlende Seelenfaden sich aus Einem Urquell hervorzögen zu einem heiligen Gewebe.
    Luzian ging so weit, daß er einmal zu Bäbi sagte: »Ich hab's gar nicht gewußt,

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