Schwarzwaelder Dorfgeschichten
mehr, sie blieb vielmehr da und freute sich, wie herzlich der doch fremde Mann der Ahne gedachte, und wie harmlos er an Allem Theil nahm. Ja sie wagte es öfter mit drein zu reden, und Luzian sah sie manchmal verstohlen an, in Gedanken den Kopf wiegend, ob er wohl da seinen Schwiegersohn vor sich habe.
Der Herbst kam rasch herbei, und Luzian ließ außergewöhnlich schnell abdreschen. Er nahm die doppelte Anzahl Drescher von sonst und half vom Morgen bis zum späten Abend mit; dann ließ er ganz ungewohnter Weise alles Korn vermessen, ehe man es auf den Speicher brachte. Er wollte sogar das Heu abwiegen lassen, wenn das nicht zu viel Mühe gemacht hätte.
Wenn die ganze Familie beisammen war, schwebte seit dem Tode der Ahne ein versöhnter Geist unter ihnen.
Gleich Tags darauf hatte die Frau zu Luzian gesagt:
»Seitdem die Mutter todt ist, ist es mir grad, wie wenn ich dir jetzt erst von Neuem in ein fremd' Haus gefolgt und mit dir allein wäre. Lach' mich nicht aus, ich hab' so Heimweh wie ein Mädle nach der Hochzeit. Mein' Mutter ist nicht da, ich hab' sie sonst Alles fragen können und war allfort daheim.«
»Du bist auch mein junges Weible, und jetzt geht erst eine neue Hochzeit an,« entgegnete Luzian.
»Ja,« fuhr die Frau fort, »ich möcht' jetzt alle Stund' bei dir bleiben, mich an deinen Rock hängen wie ein Kind an die Mutter, ich möcht' dir überall nachlaufen.«
So hatte sich ein neuer, inniger Anschluß festgesetzt zwischen beiden Eheleuten, die schon das zweite Geschlecht aus ihrer Ehe aufwachsen sahen.
Ein Scheidebrief durchschnitt jetzt das neugeeinte Leben.
Am Mittag, gegen Ende Oktober, kam ein großes Schreiben, mit einem großen Amtssiegel aus der Stadt. Luzian wendete das Schreiben mehrmals hin und her, ohne es zu eröffnen, er ahnte wohl seinen Inhalt; dennoch durchfuhr ihn ein Schreck, als er jetzt las. Er schaute rechts und links über seine Schulter, ob Niemand da sei, der ihn fasse. In der Zuschrift stand, daß Luzian wegen freventlicher Störung des Gottesdienstes zu sechs Wochen bürgerlichem Gefängniß verurtheilt sei. Da stand's in wenigen Worten; das war schnell gesagt, aber wie viel einsame trübe Stunden, Tage und Nächte waren darin eingeschlossen.
Luzian rief Bäbi und seine Frau in die Stube; er faßte die Hand der letzteren und sagte: »Margret, es ist jetzt alles im Haus im Stand, ich muß auf sechs Wochen verreisen, nein, offen will ich dir's sagen, gelt', du bist ruhig und gescheit? Denk' an dein' Mutter! Also da steht's, ich muß wegen der Pfarrersgeschichte auf sechs Wochen in den Thurm.«
Bei dem letzten Worte schrie die Frau gellend auf, aber Luzian beruhigte sie, und Bäbi sagte: »Ich geh' zum König und thu' einen Fußfall; das darf nicht sein. Lieber Gott! darf man so einen Mann einsperren wie einen Nichtsnutz? Sie müssen sich ja schämen.«
»Jetzt sei ruhig, Bäbi,« entgegnete Luzian, »ich muß geduldig über mich nehmen, was da draus kommt, daß ich die Wahrheit gesagt hab'. Denk' nur, wie viele Menschen den Tod haben darüber leiden müssen.«
Bäbi faltete still die Hände und drückte sie an ihre hochklopfende Brust.
Luzian wollte schnell seine Strafzeit vollführen.
»Man muß es machen, wie die Ahne gesagt hat,« bemerkte er, »man muß bei der Arznei, die man einmal schlucken muß, die Nas' zuhalten und schnell hinunter mit.«
Er ordnete noch Alles rasch im Hause, und andern Tages schnürte er sich ein kleines Bündel, ritt nach der Stadt und stellte sich dem Oberamt zur Abbüßung. Der Oberamtmann rieth ihm, doch an das Kreisgericht zu appelliren; der Doctor, der zugegen war, sagte: er wolle ihm ein Zeugniß geben, daß eine Gefängnißstrafe ihm bei seiner Blutfülle und Korpulenz eine Krankheit zuziehe; Beide aber bestanden darauf, daß er antrage, das Gefängniß möge in eine Geldstrafe verwandelt werden. Luzian aber weigerte sich dessen und verlangte, nach seiner Zelle geführt zu werden.
»Ich hab' immer glaubt,« sagte Luzian, »mein' Sach' wird criminalisch. Wenn mein' Sach', wie ich seh', nicht vor das öffentliche Schlußgericht kommt, so will ich meine Strafe, und jetzt, ich kann nicht mehr warten, bis nach einem halben Jahr eine andere Resolution kommt. Ich steh' mit einem Fuß im Steigbügel, ich habe beim öffentlichen Verfahren noch einmal vor aller Welt aussprechen wollen, was uns die Pfaffen anthun; damit sie alle, gute und schlechte, aufgeknüpft werden, wenn auch ein paar brave dabei sind? sie verdienen's doch, weil
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