Schwarzwaelder Dorfgeschichten
daß du ... nicht so dumm bist.«
»Ja, ich hätt' sollen ein Bub werden, ich wollt' der Welt was aufzurathen geben,« sagte Bäbi keck.
Diese Tage des Gefängnisses wurden so für Bäbi die seligsten.
Wenn Jemand die Treppe heraufkam, oder sich irgend eine Thür im Gefängnißthurm bewegte, ließ Bäbi nicht ab, bis der Vater schnell von der Kunkel aufstand. Sie riß dann den Faden ab, damit Niemand etwas von der gemeinsamen Arbeit merke. Nur die Mutter, die zum Besuche ihres Mannes kam, erfuhr von Luzians heimlicher Thätigkeit.
Auch ein neuer Besuch wiederholte sich bald täglich.
Es geschieht wohl oft, daß im Abscheiden aus altgewohnten Verhältnissen wir erst jetzt Personen und Beziehungen entdecken, die nun erst unserer Erkenntniß oder unserem Leben sich nahe stellen. Eine neue Hand faßt dich, und eine ungewohnte hält dich mit ungeahntem innigem Drucke. Wir scheiden aus dem alten Leben, das im letzten Momente ein unbekanntes neues geworden.
Der Pfarrer Rollenkopf, dem Luzian nur Einmal im Walde begegnet war, suchte diesen jetzt im Gefängniß auf. Mit ihm vereint wollte er eine neue Gemeinde um sich schaaren und dem alten Kirchenthum entgegentreten. Er fand ungeahnten Widerstand. Er hielt Luzian vor, daß damit nichts gethan sei, wenn er sich selbst von der Kirche lossage, das sei kaum ein Splitter, der sich von dem gewaltigen Baue losbröckele, der Bau selber spüre nichts davon, er stehe in sich fest; es gelte darum, den Baum von innen heraus zu sprengen durch Bildung von Genossenschaften. Luzian erwiderte:
»Das Menschengeschlecht hat's jetzt seit so und so viel tausend Jahren probirt mit dem Zusammenthun in Glaubensgemeinschaften und Kirchen, und was ist dabei herauskommen? Ihr wisset's besser als ich. Jetzt mein' ich, probirt man's einmal so lang ohne Kirchen und Gemeinden; schlimmer kann's in keinem Fall werden.«
Als der Pfarrer ihm ein andermal eindringlich vorstellte, er möge doch der Hülflosen, der Leidenden und Kranken gedenken, denen ein geläuterter Glaube und die ewige Wahrheit im Worte Gottes Trost und Labung gewähre – entgegnete Luzian kurz:
»Arznei aus der Apotheke ist keine Kost für Gesunde.«
Nicht immer jedoch war Luzian gegen Rollenkopf so scharfschneidig gekehrt, vielmehr fühlte er sich meist angeglüht von dem edeln Feuereifer des jungen Mannes, dem noch dazu eine gewisse Schwermuth anhaftete, weil er sich Vorwürfe darüber machte, daß er nicht früher und nicht freiwillig mit der Kirche gebrochen habe; er hätte dann seine Gemeinde, die ihm damals noch treulich anhing, mit sich aus der Kirche geführt.
Aber nicht nur der Pfarrer, sondern im Verein mit ihm bisweilen auch noch der Oberamtmann und der Doctor, ergingen sich bei Luzian im Gefängnisse in den tiefsten Erörterungen über Religion und Kirche. Der Amtmann sagte einmal, es ließe sich ein neuer Phädon daraus gestalten, wenn man nur einen Schnellschreiber zur Hand hätte. Sehr oft verliefen sich die Gespräche in solche geschichtliche und philosophische Erörterungen, daß Luzian still zuhörend wenig thätigen Theil daran nahm. Bäbi hörte gleichfalls mit der größten Anstrengung zu, eroberte aber nicht viel dabei.
Luzian gewann eine innige Liebe zu Rollenkopf und sprach mit seiner Bäbi oft davon. Diese aber war still, denn mitten unter den religiösen Debatten war dem excommunizierten Pfarrer ein neues Leben aufgegangen. Mit dem tiefsten Schreck bemerkte Bäbi an den Blicken Rollenkopfs und an einzelnen Worten, daß er ihr anders zugethan sei als ein Beichtvater einem Beichtkinde, und trotzdem sie Beide außerhalb der Kirche standen, sah sie in Rollenkopf doch stets den geweihten Priester.
Einst paßte Rollenkopf die Zeit ab, als Bäbi aus dem Thurm nach dem Amthause ging, und gestand ihr offen, daß er sie heirathen, und sie zur neukatholischen Pfarrerin machen wolle. Bäbi glaubte in den Boden zu sinken, und antwortete rasch: »Ich heirath' gar nicht.«
Sie eilte zu ihrer Freundin, der sie aber nicht zu bekennen wagte, was ein Pfarrer ihr gesagt.
Wieder hatte Rollenkopf einmal den Heimgang Bäbi's in's Amthshaus abgepaßt, aber auch der Doctor kam, und Beide begleiteten sie nun. Bäbi kam's gar wundersam vor, solche Herren zu Begleitern zu haben. Sie berichtete das des Wendels Agath', und diese sagte: »Die Beiden wollen dich heirathen und dein reiches Gut dazu; du bist auch eine recht anständige halbe Wittfrau. Der Doctor sucht schon lange nach so Einer, weil ihn die Mädle nicht mögen und
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