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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Heimathsorte verwiesen sei. Da klingelt es. Sonst hätte wer da wolle Einlaß begehren können, unser Pfarrer ließ sich nie stören, er wartete ruhig die Meldung ab. Jetzt sprang er unwillkürlich an's Fenster. Er meinte Rollenkopf müsse da sein. Er schaute hinaus und erblickte zu seinem Erstaunen den Luzian, der so aussah, daß man nicht wissen konnte, was er vorhatte. Der Pfarrer trat daher rasch auf die Hausflur und fragte: »Wer ist da?«
    »Ich bin's, der Luzian.«
    »Was giebt's?«
    »Herr Pfarrer, ich komm' nicht, es kommen nur meine Worte; machet schnell, gleich, es ist wegen der Leute, sie bringen Neues gegen mich auf; kommet schnell, gleich, eilet; mein' Bäbi ist schon zum Meßner gelaufen.«
    »Was denn?«
    »Meine Schwiegermutter liegt im Sterben.«
    »Der Luzian darf nicht dabei sein, wo die letzte Oelung ertheilt wird.«
    »Nicht? und wenn sie während Dem stirbt?«
    »Nicht. Der Luzian haßt unsern Glauben.«
    »Ich will ja fort von Haus bleiben, machet nur schnell; die Ahne will Euch auch nicht, die Weiber wollen's.«
    »So? und ich soll Spott treiben lassen mit dem Heiligthum, weil sich der Luzian vor dem Gerede der Menschen fürchtet?«
    »Reden wir nicht mehr lange,« entgegnete Luzian außer sich vor Angst. »Die brave Frau kann allein sterben, und braucht Euch nicht. Gott ist unser Priester. Ihr sollt nur sein Handlanger sein, sein Arm, der noch den Kelch des Lebens reicht den Lippen, die zum letztenmal zucken.«
    »Was Kelch? so verrathet Ihr Euch; wer reicht den Kelch? Ihr wißt wohl wer?«
    »Herr Pfarrer, ich weiß nicht was ich red'. Mit aufgehobenen Händen bitte ich Euch, es druckt mir das Herz ab; kommet, ich bitt' Euch tausendmal um Verzeihung, wenn ich Euch was Leids than hab'.«
    »Mir hat Luzian nichts Leids gethan; seine Teufel haben aus ihm gesprochen und seine Teufel haben ihm die Hände geführt.«
    »Herr Pfarrer, dazu ist jetzt keine Zeit. Kommet mit! wer weiß –«
    »Ich geh nicht mit dem Luzian, ich werde allein kommen.«
    Luzian eilte schnell heimwärts; es war still auf der Flur und in der Stube. Er fand nur noch die todten Ueberreste der Ahne.
    Der Pfarrer hatte noch während des Ankleidens erfahren, daß es zu spät sei; er kam nicht.
    Die ganze Nacht war Luzian still und redete fast kein Wort. Am anderen Morgen war er heiter und wohlgemuth, und die Leute erkannten immer mehr und mehr in ihm einen hartgesottenen Gottesleugner.
    Die Ahne wurde ohne Glockengeläute in ungeweihte Erde begraben.
    Ein junger Mann weinte große Thränen an ihrem Grabe. Es war Paule, der von Althengstfeld herübergekommen war, sich still dem Zuge anschloß und still, ohne mit Jemanden zu reden, heimkehrte.
    Das Herz Bäbi's erzitterte, als sie ihn sah; aber sie wandte alle Gedanken von ihm zurück und schickte sie der Entschlummerten nach.
     
Nicht mehr daheim.
     
    Im Hause Luzians war's oft öde, als ob auf einmal alle Ruhe und Ansässigkeit daraus entflohen wäre. Wenn sonst Alles in's Feld gegangen war, so blieb doch die Ahne zu Hause und jeder Rückkehrende erhielt einen freundlichen Willkomm. Jetzt blieb sowohl Bäbi als die Frau nur ungern allein daheim; sie konnten da eine gewisse Bangigkeit nicht los werden, sie glaubten die Stimme der Ahne in der Nebenstube hören zu müssen. Aus dem Dorfe fand sich gar kein Besuch mehr ein, das Haus Luzians war wie ausgeschieden. Kam auch zum Feierabend bisweilen noch der Wendel, so hatte Luzian stets Heimliches mit ihm zu reden.
    Dagegen kam der Doctor öfter, und seine Theilnahme war in der That eine innige. Bäbi war jetzt immer froh wenn er kam, denn er erheiterte Luzian und brachte ihn oft zum Lachen, während dieser sonst immer ernst und nachdenklich einherging. Bäbi wußte nicht was das zu bedeuten habe, daß der Vater mit einer gewissen Feierlichkeit fast tagtäglich Haus und Stall und Scheune durchmusterte, da und dort Alles neu in Stand setzte, während das Haus doch so wohlbehalten war, daß, wie Wendel einst sagte, man es dem Nagel an der Wand anmerke, daß er satt ist. Auch sprach der Vater oft davon, daß er doch die schönsten Aecker in der ganzen Gemarkung habe, und Bäbi wußte nicht, was er damit wolle; sie und die Mutter zerbrachen sich oft den Kopf darüber, und wenn die letztere es wagte, ihren Mann offen zu fragen, erwiderte er: »Du hast den ersten Gedanken gehabt. Du wirst bald Alles erfahren. Man kann die Streu nicht schütteln, so lang man im Bett liegt.«
    Wenn nun der Doctor öfter kam, verließ Bäbi die Stube nicht

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