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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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sie noch Geistliche bleiben; ich laß es jetzt sein, ich bin der Mann nicht, der der Welt helfen kann. Zuerst muß ich jetzt noch in's Loch und dann 'naus zum Loch.«
    Der Oberamtmann und der Doctor führten nun Luzian selber in sein Gefängniß; sie blieben nur eine Weile bei ihm, dann wurde die Thür geschlossen, und er war allein.
    Bald nachdem er einige Stunden im Gefängnisse saß, kam ihm dieses doch ganz anders vor, als er gedacht hatte. Eine seltsame Lust hatte ihn rasch zur Abbüßung der Strafe greifen lassen, er war sein Lebenlang noch nie Tage und Wochen mit sich allein gewesen; er glaubte, Alles müsse in ihm besser geschlichtet und geebnet werden, wenn er einmal so ungestört, von der ganzen Welt nichts wissend, in sich selbst hinabstiege; denn da drinnen war es bei alledem noch wirr und kraus. Auch empfand er eine eigentümliche Wollust darin, unverdiente Strafe abzubüßen; das gab ihm noch mehr Recht, sein Lebenlang gegen die Pfafferei zu kämpfen.
    Wenn der Luzian von heute auf den der vergangenen Monate hätte zurückschauen und ihn lebendig in allem seinem Thun erblicken können, er hätte sich gewundert über den, der jetzt zu solchen ganz ungewöhnlichen Gelüsten und Behaben gekommen war.
    Nachdem er eine Weile auf der Pritsche geruht, erhob er sich plötzlich, und sein Blick schweifte an den Wänden umher und – wie seltsame Verlangen steigen oft plötzlich in der Seele auf – er wollte in einen Spiegel schauen, um sein Aussehen zu betrachten. Lächelnd gewahrte er, daß dies Stück Hausrath nirgends an den kahlen Wänden sich vorfand. Wozu sollten auch die Gefangenen dessen bedürfen? Sie erscheinen vor Niemand, sie können mit sich machen was sie wollen. »Ich möcht' nur einmal ein anderer Mensch sein und mich von weitem daher kommen sehen, wie ich da herumlaufe, und was für ein Bursch ich eigentlich bin, wie man mich ansieht, was man von mir hat, ob man mich gleich für einen ehrlichen Kerl hält, so bei den ersten paar Worten. Warum weiß ich jetzt, wie mein Margret aussieht und der Wendel und der Doctor und der Pfarrer, und wenn ich malen könnt', könnt' ich sie dahin malen; und mich selber hab' ich doch auch genug geschaut und ich weiß doch nicht, wie ich ausseh' ... Mein Herz und meine Gedanken kenne ich auch nicht so, ich meine, ich kenne die von anderen Leuten viel besser, und doch kann und muß ich mich auf mich allein am besten verlassen ... Was Reue! Es ist nichts nutz, wenn man uns allfort sagt, das und das hättest du besser machen müssen, oder wenn man sich selber vorschwatzt, ich möcht' um so und so viel Jahr jünger sein; nichts da, an dem läßt sich nichts mehr beßteln und machen, heut, heut ist gesattelt. Wenn Gott sagt: heute, sagt der Teufel: morgen und der Pfaff sagt: gestern.«
    Diese letzten Worte sprach Luzian mit den Lippen, aber ohne Stimme; es schien fast als bete er ein stilles Gebet.
    Wie schwer steigt sich's hinauf die Gedankenhöhen und hinab die Tiefen, wenn immer ein Gedanke sich auf den andern thürmt und plötzlich kollernd wegrollt. Es bedarf da eines festen Steigers und kecken Springers. Luzian schaute zu dem vergitterten Fenster hinaus und horchte auf die verschiedenen Sangesweisen der über und unter ihm Eingekerkerten. Es kam ihm jetzt unfreundschaftlich vor, daß der Doctor und der Amtmann ihn so bald verlassen und seit so langer Zeit nicht wieder besucht hatten. Mußten sie nicht immer draußen auf Schritt und Tritt dran denken, daß er hier einsam eingekerkert sei? Konnten sie das nur einen Augenblick vergessen?
    Armer Mensch, der du glaubst, dein Schicksal werde von einer andern Brust in der ganzen Ausbreitung seiner Folgen getragen.
    Es wird Abend, die Thür knarrt, die Riegel werden heftig zugeschlagen, der Gefängnißwärter tritt ein, ihm folgt Bäbi mit einem Hängekorb am Arm. Sie sagte ihrem Vater einfach: »guten Abend« und ließ keinerlei heftige Kundgebung merken; dann erzählte sie, daß Egidi mit seiner Frau und den Kindern während des Vaters Abwesenheit bei der Mutter wohne, sie selber bleibe nun beim Vater und habe durch den Doctor die Erlaubniß vom Oberamtmann bekommen, ihrem Vater Gesellschaft zu leisten.
    »Wer hat dich an den Doctor gewiesen?« fragte Luzian.
    »Niemand, ich bin von selber zu ihm gangen, die Ahne selig hat Recht gehabt, er ist gespässig, aber doch ein grundbraver Mensch, er ist gleich mit mir zum Oberamtmann.«
    Luzian fixirte seine Tochter scharf und zog dabei die Brauen ein. Nach einer Weile sagte

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