Schwarzwaelder Dorfgeschichten
hielt mit beiden Händen die Pferde straff im Zügel, die Peitsche stack neben ihm, und er rief nur manchmal den zögernd Ausweichenden ein Aufg'schaut! oder einfach Hoho! zu. Die Pferde trugen die Köpfe mit dem messingbeschlagenen Riemenzeug so stolz, als wüßten sie, welch ein Aufsehen sie erregten. Neben dem Manne saß ein junges Mädchen, ebenfalls in oberländischer Tracht, die sich aber mehr im Schnitt als im Stoff zeigte; denn der braune Spenzer und die schwarze Schürze waren von Seide, nur die Haube war noch in der landesüblichen Weise und aus den schwarzen am Kinn geknüpften Bändern sah ein blasses längliches Gesicht mit dunkeln Augen.
Die Leute im Gedränge gafften Alle nach dem Gefährte und dessen überaus stattlichen Insassen. Manche vergaßen darüber auszuweichen und mußten von Nachbarn angerufen werden, und bald da bald dort gab es ein heftigeres Gedränge, aber die Rappen standen jedesmal auf einen Pfiff ihres Herrn stille. Oftmals auch grüßte dieser einen Bekannten und rief ihm zu: »Weißt schon, im Hirsch.« In dem Marktgewühl stachen besonders die Schäfer hervor in ihren weißen, rothausgeschlagenen und mit rothen Einnähten versehenen Zwillichröcken, auf denen noch, über die rechte Schulter gelegt, schärpenartig der lederne Gurt mit glänzenden Messingringen prangte; ihre Hunde liefen hart neben ihnen, denn sie hatten sie an die vielgelenkige Kette angekoppelt. Ueber das bartlose runde Antlitz des Fahrenden zuckte oft ein Lächeln, denn er hörte die Staunenden am Wege fragen: »Wer ist das?« worauf die Antwortenden immer ihre Verwunderung ausdrückten, daß man den nicht kenne: »Das ist ja der Diethelm von Buchenberg,« hieß es dann, »der hat mehr Kronenthaler, als die zwei Gäul' ziehen können,« und ein Anderer sagte wieder: »Ich wollt', du und ich, wir hätten das mit einander im Vermögen, was der heut für Woll' und Schafe einnimmt.« »Wenn der Diethelm da ist, geht der Markt erst an,« sagte ein Dritter; »die Engelländer warten Alle auf ihn,« rief ein Vierter. Ein Mann, der mit mehreren anderen eine gute Strecke neben dem Wagen herging, berichtete: »Ich bin von Letzweiler, und der Diethelm ist auch von da gebürtig. Er hat einen grausam mächtigen Familienanhang. Vor zwanzig Jahren sind das lauter Krattenmacher (Korbmacher) und Bettelleut' gewesen und der Diethelm hat sie hingestellt, daß sie capitalfest sind. Ja, ja, so ein Mann in der Freundschaft und sie ist glücklich.«
Der Fahrende stieß manchmal die neben ihm Sitzende an, daß sie auch hinhorche auf das, was man sage; die üble Nachrede im eigentlichsten Sinn des Wortes schien der Fahrende nicht zu vernehmen, denn es gab auch Manche, die über die Ungebühr schimpften, mit Roß und Wagen mitten durch das Menschengedräng zu fahren; Andere machten darob Witze, und einige gehobene Heldenseelen fluchten hinter dem Wagen drein und schalten auf die Polizei, die so etwas dulde. Ein Bretzelverkäufer, der seinen Kram auf einem langen Stock aufgereiht trug, sagte geradezu: es sei nichts schlimmer, als wenn der Bauer auf den Gaul käme, der mache es ärger als die Herren.
Der Vielberufene fuhr aber strahlenden Antlitzes wie ein Triumphirender dahin, und endlich war man beim Wirthshaus zum Hirsch, das eine ganze Wagenburg umstellte, angelangt. Eine mächtige Glocke erschallte im Hausflur, die Frau Hirschwirthin oder, wie sie lieber genannt war, die Frau Postmeisterin, erschien selber, reichte Diethelm die Hand, hieß die »Jungfer Tochter,« die als schlanke, biegsame Gestalt auf dem Wagen stand, willkommen, half ihr absteigen und nahm ihr eine bunt gestickte Reisetasche ab. Der Hausknecht, der heute seinen großen Tag hatte, war doch bei der Hand, und während er die Aufhaltketten der Pferde löste, half ihm ein Schäfer dieselben aussträngen.
»Ist Alles in Ordnung, Medard?« fragte Diethelm den Schäfer, indem er sich neben die Pferde stellte; der Schäfer bejahte, eilte dem Mädchen nach und raunte ihm schnell zu:
»Mein Munde (Raimund) ist auf Urlaub auch hier.«
Das Mädchen erröthete und antwortete nichts, es band sich die Haube fester, indem es in das Wirthshaus trat.
Der Schäfer Medard eilte zu seinem Herrn zurück und sagte, daß er schon beim Einfahren von einem Händler darum angehalten worden sei, wie theuer er verkaufe.
»Wie ich dir gesagt habe,« erwiderte Diethelm ruhig, »siebzehn Gulden das Paar und keinen rothen Heller weniger. Sag nur, dein Herr sei der Diethelm und der laß nicht
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