Schwarzwaelder Dorfgeschichten
der Pfarrer braucht eine Ketzerin; aber ich hab' dir seit gestern zu sagen vergessen, daß des Paule's Vater gestorben ist.«
»Das wird dem Paule doppelt weh thun, es muß Einem schrecklich sein, wenn Eines wegstirbt, mit dem man oft im Zank und Hader gewesen ist.«
»Es giebt Leut', die anders denken,« sagte Agath', »denen ist's im Gegentheil gerade Recht, wenn sie so einen Polterteufel los sind. Jetzt ist der Paule und sein Haus noch einmal so viel werth. Was meinst jetzt?«
»Ich heirath' gar nicht,« erwiderte Bäbi.
Die kluge Tochter Wendels entgegnete: »Wenn das Wort eine Brück' sein sollt', da ging' ich auch nicht darüber, die bricht ein.«
Bäbi ging in ihre Kammer, und was sie längst abgethan glaubte, erwachte auf's Neue und preßte ihr stille Thränen aus.
Die Befreiung.
Endlich kam der Tag der Befreiung; und als Luzian zum Erstenmal auf der Straße war, reckte er sich und sagte:
»Guten Tag Welt! bald b'hüt dich Gott.«
Alte Welt, Gott gesegne dich,
Ich fahr' dahin gen Himmelrich;
sang es wieder in ihm.
Im Lamm war Egidi mit dem Fuhrwerk, aber noch Andere waren da, der Wendel und der Paule, der einen Flor um den Arm trug.
»Schwäher,« sagte Letzterer, »ist's wahr, Ihr wollet nach Amerika?«
»Ja.«
»Nehmet Ihr mich mit, wenn mich das Bäbi wieder mag?«
Luzian schaute auf seine Tochter, die hoch erglühend die Augen niederschlug.
»Wie?« sagte Luzian, »red' du Bäbi, sag' Ja oder Nein.«
Bäbi schwieg.
»Wenn du nicht Nein sagst, so nehm' ich's für Ja.«
Bäbi preßte die Lippen heftig zusammen, als fürchte sie, daß ihr Mund Nein spräche.
Paule löste die Lippen bald zu seligem Kusse.
Auf der fröhlichen Heimfahrt erzählte nun Paule, wie sein Vater von dem Pfarrer umgarnet war und wie er auf dessen Betrieb die Brautschaft aufgekündigt hatte. Auch in ihm lebte der heftige Zorn gegen das Pfaffenthum, wenn er gleich noch lange nicht auf Luzians Standpunkt angelangt war.
Jetzt faßte Luzian die Hand seines Sohnes Egidi und sagte: »Komm her, du kannst mir eine große Wohlthat erzeigen, ich hab' eine Bitte an dich; willst du?«
»Wenn's in meinen Kräften ist, ja.«
»Nun gut, gieb mir den Victor mit, ich will ihn halten, wie wenn du es wärst; ich will auch von dir was bei mir haben.«
Egidi nickte bejahend, er konnte nicht reden. –
Wer am Himmelsbogen säße und mit Einem Blick überschauen könnte das gewaltige Drängen und Treiben aus der alten Welt heraus nach einem Dasein, in welchem die Menschen frei ihr Leben gestalten, dem böte sich ein Anblick voll Jammer und voll Erhebung.
Den Ortspfarrer traf Luzian nicht mehr im Dorfe; er war wegen seiner besonderen Talente und seines Eifers zum Rector eines neuerrichteten Knabenseminars für Priester, der »geistlichen Cadettenanstalt«, wie sie in jenen Zeitungsberichten genannt war, berufen worden.
In der Zeitung standen am selben Tage zwei große Bauerngüter mit Schiff und Geschirr ausgeboten; es waren die Luzians und Paule's.
Mit tiefem Herzeleid sah Luzian sein sorgsam gepflegtes Gut zerschlagen in fremde Hände übergehen.
Als er Abschied nehmend mit seinem Passe zum Oberamtmann kam, übergab ihm dieser ein Buch zum Andenken. Es war ein Wegweiser für deutsche Auswanderer.
»Ich habe auch einige Worte hineingeschrieben,« sagte der Oberamtmann.
Luzian las dieselben, nickte mit dem Kopfe, reichte ihm die Hand und sagte: »Das ist ein schönes Gleichniß aus der Bibel; Gleichnisse lass' ich mir gefallen, wenn auch die Geschichte nicht wahr ist.«
In dem Buche aber stand:
Man soll nicht auswandern wie der eigensüchtige Rabe aus der Arche Noah, der draußen bleibt, wenn's nur ihm wohlergeht; man soll auswandern wie die ausgeschickte Taube, die heimkehrt mit dem Oelzweig, verkündend: daß die Sündfluth sich verlaufen hat.
Fünfter Band.
Die Geschichte des
Diethelm von Buchenberg.
(1852.)
Erstes Kapitel.
In dem freundlichen Städtchen G. war lebhaftes Marktgewühl, und mitten durch das auf und ab wogende Menschengedränge bewegte sich, von zwei fetten, tief eingekreuzten Rappen gezogen, ein Bernerwägelein, auf dessen niedergelassener Halbkutsche ein breitschulteriger Mann saß. Der breitkrempige schwarze Hut mit handhoher Silberschnalle im Sammtbande, der kragenlose, einreihige schwarze Sammtrock mit den nahe zusammengerückten flachen silbernen Knöpfen, die rothe Scharlachweste mit den kugelförmig silbernen Knöpfen zeigten den reichen oberländischen Bauer. Er
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