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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Tabak, während er sonst oft hatte dürre Nußblätter rauchen müssen.
    Wenn Medard manchmal dachte, daß ihm das Kind sterben könnte, fühlte er alle Haare zu Berg stehen. Stundenlang konnte er in das braune Antlitz und in die dunkeln Augen des Knaben schauen und sich nur ärgern, daß dieser ihn gewiß nicht so lieb habe, wie er ihn, es wenigstens nicht darthun konnte; dann konnte er aber auch stundenlang vor sich hin lächeln über eine einfältige oder kluge Bemerkung des Munde. Auf den falben Schäferhund, den Paßauf, war Medard oft eifersüchtig, denn der Knabe war mit dem Hund so zutraulich und verschwendete an ihn so viel Liebe, die doch ihm gebührte. An Einer Sache hatte aber Medard stets seine ungetrübte Freude. Munde war nämlich äußerst gelehrig in der Musik. Vielleicht ist es noch ein Ueberbleibsel aus den verklungenen Schalmeienzeiten, daß die Schäfer in der Regel kunstfertige Pfeifer sind, und Medard war hierin noch ein besonderer Meister. Er verstand nicht nur den nothwendigen Signalpfiff, der dem Paßauf als Commando galt, er konnte auch alle Vögel des Waldes nachahmen und hatte noch dazu eine unerschöpfliche Quelle von Lieder- und Tanzweisen, in denen er trillern konnte wie ein Kanarienvogel. Er lehrte nun den Munde diese Fertigkeit, und wenn der Knabe dann vor ihm stand und den Mund spitzte und hellauf pfiff, umfaßte Medard mit beiden Händen seine Schäferschippe und bohrte sie tief in den Boden vor Freude. Im Herbst lockte Medard andere Knaben zu sich auf's Feld, damit sie mit dem Munde spielen, denn dieser kam ihm manchmal so traurig und nachsinnend vor, so verlassen wie ein Schäfchen, das von der Heerde genommen ist, und das einsam in sich hinein jammert. Da däuchte es dann Medard, als ob sein Munde über Alle herrsche, sie beugten sich ihm ungeheißen, und alte Sagen kamen ihm in den Sinn, wie ein Schäferknabe plötzlich zu einem König geworden und eine schöne Prinzessin im diamantenen Palaste zum Ehegemahl erhielt. Er lächelte wohl über diese Sagen, er wußte ja, daß daran kein wahres Wort sei, aber Munde war gewiß zu etwas Großem geboren, wenn auch just nicht zu einem König; und dann wollte sich Medard in seinen alten Tagen das Gnadenbrod bei ihm ausbitten und unter der Stallthür stehend glücklich sein, wenn sein Bruder in der Kutsche dahinfuhr oder auf einem schönen Apfelschimmel daherritt. Was läßt sich nicht Alles ausdenken draußen bei den still weidenden Thieren! Medard erschien sich oft ganze Wochen wie verzaubert, Alles, was er that, kam ihm so vor, als wäre das nur für einstweilen, nur noch jetzt, in einer Stunde wird's anders; da kommt auf einmal ein groß Glück. Und manchmal konnte er es gar nicht fassen, daß der Munde noch so klein und jung sei und noch so lange zu wachsen habe, bis er ein großer Mann, mindestens ein reicher Graf sei. Natürlich fehlte es auch nicht an Zeiten, wo sich Medard vor die Stirn schlug und sich selber auslachte über all die Narretheien, die er im Kopfe herumtrage; er war dann froh, daß Niemand davon wußte, und schlug sich Alles aus dem Sinn; aber innerlich verborgen konnte er doch eine gewisse Hoffnung des Unerwarteten nicht ertödten, er wußte nicht was und wie, aber doch blieb's.
    Als dem Diethelm seine Fränz geboren war, hatte Medard dieser schon einen Ehemann bestimmt, lange bevor sie ein Wort sprechen konnte.
    Munde war acht Jahre alt geworden. Es war im hohen Sommer, im Thale war abgeweidet, und der Pferch begann noch nicht, Medard hatte seinen sämmtlichen Schafen Schellen umgehängt, und es ging nun auf den Trieb in's hohe Waldgebirge. Das Schellengeläute währte unaufhörlich vom Morgen bis zum Abend, denn die Schafe auf der Weide fressen beständig im Gehen und stehen meist kaum so lange still, um das Gras abzuraufen; Medard war immer in wundersamer Aufregung, und er dachte mit schweren Sinnen, daß dies der letzte Sommer sei, in dem er den Munde bei sich hatte; zu Ostern mußte dieser bei Strafe endlich in die Schule. »Es ist vorher gegangen, es muß nachher auch gehen,« tröstete sich Medard, wenn er überlegte, wie er diese Trennung ertragen werde. An einem Mittag, an dem die Nebel nicht von Berg und Thal wichen, saß Medard am Waldrande an dem ein schmaler Holzweg sich hinzog, und vor ihm, den jähen Berghang hinab, weideten die Schafe; Munde stand weiter unten, just in der Biegung des Weges in einer Brombeerhecke und erlabte sich an der saftigen Frucht. Vom Walde oben vernahm man Hacken und Knacken

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