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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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gut er konnte, und glücklicherweise erlöste ihn ein junger, modisch gekleideter Mann, der mit vielen Bücklingen auf ihn zukam, sich als ältesten Sohn des Sternwirths vorstellte und Diethelm bat, in die Herrenstube zu kommen.
    Die Welt duldete es gar nicht mehr, auch wenn er es selbst gewollt hätte, daß er in niederem Bereiche verweilte. Diethelm betrachtete sich selbst, um zu erkunden, was denn an ihm sei, daß ihm Jeder ungefragt eine höhere Stufe anwies. Er folgte dem jungen Manne, der äußerst ehrerbietig war, die Treppe hinab, und als er eben die Klinke zur Herrenstube in der Hand hatte, hörte er einen Soldaten unter der Hausthüre sagen: »Komm nur.« Diethelm drehte sich um, die Stimme war ihm bekannt, und der Soldat fuhr fort:
    »Tanz' du nur einmal, während der Zeit wird dein Vater um ein paar tausend Gulden reicher, und ich krieg' dich immer weniger.«
    »Ich weiß nicht, ob's recht ist,« sagte eine Mädchenstimme und halb gezogen erschien Fränz auf der Schwelle mit hochglühendem Antlitze.
    »Soll ich euch aufspielen?« rief Diethelm, sich umwendend. Der Soldat und Fränz ließen vor Schreck die Hände los.
    Der Soldat faßte sich schnell wieder und grüßte Diethelm, dieser aber sagte:
    »Du bist's? wie kommst du daher, Munde?«
    »Ich hab' Urlaub genommen, und es freut mich, daß ich auch meinen alten Herrn seh'.«
    »So? Willst eine Halbe trinken?«
    »Freilich.«
    »Säh! da hast Geld, trink eine,« und Diethelm reichte mit diesen Worten dem über und über erröthenden Soldaten einen Sechsbätzner. Der Soldat, der nicht anders erwartet zu haben schien, als Diethelm würde ihn mit zum Wein nehmen, wußte nicht, sollte er die Hand zum Faustschlag ballen oder zum Empfang der Gabe darreichen. Beides schien gleich mißlich, offene Feindseligkeit wie die beabsichtigte Demüthigung vor den Augen der Geliebten; es fand sich aber noch ein Ausweg, und lächelnd sagte der Soldat:
    »Dank' gehorsamst, ich will warten, bis ich einmal ein' Halbe mit Euch trink'; vor der Hand hab' ich schon noch, um von meinem Geld ein Glas auf Euer Wohlsein zu trinken.«
    Mit einem Gemisch seltsamer Empfindungen reichte Diethelm dem Soldaten die Hand und stand von dem Vorhaben ab, dem Burschen auf strenge Weise zu zeigen, an welchen Platz er gehöre; diese geschickte, höfliche Wendung und der Stolz, der darin lag, gefiel ihm. Das gestand sich Diethelm, aber nicht, daß er sich in diesem Augenblicke selber zu sehr gedemüthigt fühlte, um die Unterwürfigkeit Anderer herauszufordern. Er sagte daher nichts weiter, winkte dem Soldaten einen Abschied zu und verschwand mit Fränz hinter der Thür der Herrenstube. Der Soldat ging im Hausflur auf und ab wie ein Wachtposten und seine Gedanken gingen mit ihm hin und her: sollte er auch hinein in die Herrenstube und sich auftischen lassen? Aber wer weiß, wozu das führt? Es sind viele Fälle möglich. Der Schluß blieb jenes letzte Mittel, das Gelehrten und Ungelehrten gleich genehm ist, nämlich: vor Allem und vor der Hand nichts thun – da macht man nichts gut und nichts böse und kann getrosten Muthes und ruhigen Gewissens die kommenden Ereignisse abwarten.
     
Viertes Kapitel.
     
    Der Soldat ging nach dem Schafmarkt. Viele Hurden waren bereits leer, die noch zurückgebliebenen Schäfer hatten ihre Mäntel bereits lose zusammengerollt auf der Schulter hängen. Das Marktgewühl brauste und toste in der Ferne, hier aber war Alles so still wie auf einsamer Höhe, an deren Fuß ein wildrauschender Bach über Felsen braust; nur bisweilen hörte man das klagende Blöcken eines Schafes, dem ein Metzger durch einen Schnitt in's Ohr das Kennzeichen seines Eigenthums gab. Die also bezeichneten Schafe duckten die Köpfe und sahen traurig und dumpf nieder, als wüßten sie, daß die Tage ihres Weidganges gezählt sind. Von einer Heerde führte ein Metzger eben einen Hammel weg, und das sonst so geduldige Thier war störrig und mußte mehr gezogen und geschoben werden, als daß es ging; es kümmerte sich wenig um Bellen und Beißen des Hundes und blöckte nur kläglich. Der Soldat schaute dem Allem mit dumpfer Verwunderung zu; er war selber Schäfer gewesen und doch war ihm alles Das wieder neu und fast seltsam. Er sah die Hurde seines Bruders, des Schäfers Medard, den wir beim Ausspannen gesehen haben, und schon von fern zerrte der falbe Hund an der Kette, die am Gurte seines Herrn befestigt war, und weckte diesen aus stillem Niederschauen, so daß er aufblickend rief:
    »Hast sie

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