Schwarzwaelder Dorfgeschichten
gefunden?«
Der Soldat nickte mit dem Kopfe und erst als er bei seinem Bruder war und den Hund gestreichelt hatte, erzählte er, wie er die Fränz allein auf dem Markte getroffen, wie sie miteinander umhergeschlendert und eben zum Tanze gehen wollten, als Diethelm dazwischen kam und ihn so sonderbar davon schickte.
Der Schäfer dagegen berichtete, wie es ihm sei, als ob die ganze Welt aus dem Leim ginge: daheim habe der Meister so nöthlich gethan, wie wenn Alles bei ihm auf Spitz und Knopf stehe und kaum auf den Markt gekommen, kaufe er wie besessen ein und thue, wie wenn er fragen möchte, was kostet das Schwabenländle da? Er habe die Hammel verkauft und könne den Herrn nirgends finden, um ihm das Geld zu geben. Ueberhaupt, erzählte er, sei der Meister seit fast einem Jahr zweierlei Menschen: bald streichle er Einen wie mit Sammtpfoten, bald sei er ein borstiger Igel, bald lobe er Alles, bald mache man ihm gar nichts recht. Die Brüder besprachen sich noch lange über das seltsame Wesen des Meisters, denn auch der Soldat hatte ehemals bei Diethelm als Schäfer gedient.
Als der Schäfer äußerte, daß Diethelm vielleicht um so größer thue, je kleiner er geworden sei und vielleicht noch einen tüchtigen Raps mache, so lang man ihm traue, fuhr der Soldat dagegen los, als ob er selber beleidigt wäre, und es war noch mehr als das: denn da gilt ja gar nichts mehr, wenn man gegen solch einen Mann nur so was denken darf; worauf der Andere lächelnd erwiderte:
»Büble, Büble, du wirst dein Lebtag nicht gescheit; du glaubst den Leuten, was sie dir vormachen. Laß sehen, was du für Tubak hast,« schloß er und nahm dem Soldaten die Pfeife aus dem Mund und rauchte sie weiter; der Soldat sagte kein Wort dazu.
Es war ein seltsames Brüderpaar, das da bei einander saß. Medard hätte dem Alter nach der Vater Munde's sein können, aber ähnlich sahen sich die Brüder nicht. Medard hatte ein langes dürres Gesicht, das durch den zottigen Backenbart und die aufgesträubten röthlichen Augenbrauen Aehnlichkeit mit dem Schäferhunde hatte, während Munde kugelrund aussah und Angesicht und Hals von dunkelbrauner Farbe war; er hatte kohlschwarzes Haar und kleine in fetten Augenlidern versteckte braune Augen, aus denen ein stilles sanftes Gemüth sprach. Medard sah aus, als könnte er nie lachen, und Munde sah noch jetzt in seiner Betrübniß aus, als könnte Schmerz und Zorn keine Heimath in seinem Gesichtsausdruck finden.
Medard war gerade um fünf und zwanzig Jahre älter als sein Bruder, und diese beiden und noch eine Schwester, die dem alten Vater in Buchenberg Haus hielt, waren von neun Kindern am Leben geblieben. Als der kleine Munde so verspätet und plötzlich geboren wurde, verließ Medard unter Verwünschungen das väterliche Haus und betrat sechs volle Jahre dessen Schwelle nicht mehr. Es war nicht Aerger wegen des Erbes – da war ja nichts zu theilen – aber Medard schämte und ärgerte sich über den nachgebornen Bruder, daß er von seinen Eltern gar nichts mehr wissen wollte; er verdingte sich weit weg und kam erst nach sechs Jahren wieder, als er aus dem Zuchthause entlassen wurde, wo er wegen einer Rauferei, in der er einen Nebenbuhler erschlagen, fünf Jahre gebüßt hatte. Es war ihm nun doch nichts übrig geblieben, als in das elterliche Haus zurück zu kehren. Als er zum Erstenmal wieder in des Vaters Stube trat – die Mutter war schon seit sechs Jahren gestorben, und wie der Vater sagte, an den Folgen der Verheimlichung ihrer Schwangerschaft, die sie vor dem erwachsenen Sohne verbergen wollte – da war's, als ob der kleine Munde es dem Bruder wie mit Zauber angethan hätte; er umklammerte gleich beim Eintreten seine Füße und Medard ließ den schon ziemlich großen Bengel oft Stunden lang nicht vom Arm herunter und tollte mit ihm wie närrisch umher, die ganze verhaltene Bruderliebe schien auf Einmal sich zu entfalten und eine Sühne für seine früher verübte Härte zu Tage zu fördern.
Diethelm that gerade um diese Zeit eine großartige Schäferei auf und auf die Bitten des alten Schäferle und die Zureden seiner Frau nahm er den Medard in Dienst, der nun von Georgi bis Michaeli im freien Felde war und stets den Munde bei sich hatte und ihn mit einer Sorgfalt ohne Grenzen wartete und pflegte. Der alte Schäferle überließ ihm gern das Kind; er war mit Allem zufrieden, wenn er nur hinlänglich Tabak hatte, um seine Holzpfeife in beständigem Brand zu erhalten. Medard versorgte ihn jetzt mit
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