Schwarzwaelder Dorfgeschichten
ersten Zeit ihrer Ehe, so daß sie gar nicht dazu kam, gegen ihn den Gram und Zorn über seine Fahrlässigkeit auszulassen. Er vertröstete sie auf den großen Schick, der unfehlbar nächstens eintreffe und half nun selber für die laufenden Ausgaben Leinwandballen verkaufen, von denen Martha aus Zorn gegen Fränz schon mehrere versilbert hatte.
Eines Tages kehrte Diethelm nach einer vergeblichen Umfahrt von mehreren Tagen wieder heimwärts, da sah er am Wege im Wald an einem ausgehauenen Baumstumpf eine große Schichte von Kienholz. Rasch, ohne sich klar zu machen was er wollte, hielt er an, sprang ab, raffte einen Arm voll auf, riß den Sitz ab, öffnete das Kutschentruckle, verschloß das Kienholz in dasselbe und fuhr rasch davon; bald aber stieg er wieder ab und wusch sich die harzigen Hände im Schnee.
Seltsam! Als er heute heimkam, fragte ihn Martha:
»Hast nichts im Kutschentruckle?«
»Warum fragst?« erwiderte Diethelm erschreckt.
»Ich weiß nicht warum, ich mein' nur so.«
»Es ist nichts darin,« schloß Diethelm fest.
Spät in der Nacht, als Alles im Hause schlief, schlich Diethelm noch einmal hinab, lauschte, ob Medard in seiner Stallkammer schlief, ging dann nach der Scheune, öffnete den Kutschensitz, nahm das Kienholz heraus, trug es die Leiter hinauf nach dem Heuboden und versteckte es unter einem Dachstuhlbalken. Aber kaum war er wieder die Hälfte der Leiter herab, als ihm gerade dieses Versteck besonders gefährlich erschien; er kehrte wieder um und fand am Ende nichts Besseres, als das Kienholz wieder in den Kutschensitz zu verschließen, er faßte dabei den Vorsatz: bei der nächsten Ausfahrt dieses willfährige Brennmaterial wieder auf die Straße zu schleudern. Er schauderte vor sich selber, indem er dachte, was ihm durch den Sinn gegangen war und die Hand auf das Kienholz legend, schwur er vor sich hin in stiller verborgener Nacht, jede Versuchung von sich abzuthun, und wie aus einem wüsten Traume erwacht, froh, daß es nur ein Traum war, schlief er ruhig und fest.
Am andern Tag, es lag ein leichter Schnee auf dem Felde, fuhr Diethelm in Angelegenheit seines Waisenpflegeramtes wieder nach der Stadt. Er wollte unterwegs das Kienholz wieder wegwerfen, und zweimal hielt er an und öffnete den Kutschensitz, als jedesmal Leute daherkamen, so daß er in seinem seltsamen Thun gestört wurde und wieder davon fuhr. Es war ihm, als ob er auf lauter Feuer sitze, aber bald lachte er über diese alberne Furcht und wollte sich nun gerade zwingen sie zu überwinden, und heiteren Blickes fuhr er in die Stadt ein. Am Stern wußte er nicht, sollte er besondere Achtsamkeit empfehlen, da er etwas im Kutschensitze habe; aber das konnte aufmerksam machen, er müßte Red und Antwort darüber geben, darum war's besser er schwieg ganz und so blieb's dabei. Als er auf dem Waisenamte war, fühlte er mitten in den Verhandlungen plötzlich einen jähen heißen Schreck; er glaubte, er habe den Kutschensitz nicht recht verschlossen, es war ihm fast sicher, daß er offen war: wenn nun Jemand darüber kam und den wunderlichen Schatz fand, was konnte das für Gerede geben, welche Ahnungen mußten in den Menschen aufsteigen. Ohne nachzusehen, unterschrieb Diethelm Alles, was man ihm vorlegte und eilte nach dem Wirthshaus; seine Vermuthung hatte ihn betrogen, der Kutschensitz war wohl verschlossen, aber er wagte es nicht ihn jetzt zu öffnen und nach dem verrätherischen Inhalt zu schauen.
Als Diethelm hierauf an dem Kaufladen Gäblers vorüberkam, rief ihm dieser zu und übergab ihm mit einigen halb höflichen Worten die Rechnung für die eigenen Einkäufe und für die des Zeugwebers Kübler. Diethelm versprach zu Neujahr zu bezahlen und Gäbler sagte, er verlasse sich darauf. Ueberhaupt schien es Diethelm, als ob alle Menschen ein verändertes Benehmen gegen ihn hätten, selbst der Sternenwirth war wortkarg und ging seinem Geschäfte nach, während er sonst unzertrennlich bei Diethelm saß und mit ihm über Allerlei aus Gegenwart und Zukunft plauderte. Was hatten denn die Menschen, daß sie auf Einmal so ganz anders waren? War denn Diethelm nicht noch immer derselbe, der er von je gewesen? Damals am Markttag erglänzte ihm jedes Angesicht und streckte sich ihm jede Hand entgegen. Was ging denn jetzt vor? Der Zeugweber Kübler, der »den Herrn Vetter und Familienfürsten« aufsuchte und sich ihm zu Besorgungen erbot, konnte nicht begreifen, warum Diethelm über die ganze Welt fluchte und immer sagte, der sei ein
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