Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Sonnenstrahlen, die wie zu Zeugen angerufen ihm heiß auf Haupt und Rücken brannten. Wie mit traulichem Gruß an alle seine Habe ging er durch Stube und Kammern, durch Ställe und Scheunen; er gedachte der Zeiten, wie er als armer Bursch hieher gekommen war und nichts sein genannt, als was er auf dem Leibe trug, und wie er so glücklich war, als das ganze Haus mit Allem, was darin war, sein Besitzthum wurde; jedes Messer, jede Sense, jedes Feldgeräth bewillkommte er damals mit freudigem Blick, das war jetzt Alles sein eigen. Das ist doch ein ander Leben, in der Welt zu Haus zu sein, Theil zu haben an ihr. Es war ihm damals, als hätte er an dem Hause und dem, was es erfüllte, einen neuen Leib gewonnen. Wer darf daran denken, das Alles in Staub zu verwandeln? Ist das nicht wie ein Selbstmord? Freilich sind das nur leblose Dinge, die man neu viel schöner und besser haben kann; aber es sind doch nicht die alten, treu gewohnten ... Und wenn man sich nicht anders helfen kann und Alles verbrennen muß, dann ist's noch Zeit genug daran zu denken, dann drückt man die Augen zu und thut's – aber jetzt, jetzt darf man nicht daran denken ...
So ging Diethelm in Gedanken hin und her und mußte gerufen werden, denn er hatte nichts davon gemerkt, daß die Feuerbeschau schon in der Wohnstube versammelt war. Nochmals lehnte er die Versicherung ab und sagte: auch seine Frau wünsche sie nicht; aber Martha widersprach und nun ging's im Geleite nochmals treppauf und treppab und Alles wurde aufgezeichnet und gewerthet. Diethelm that oft Einspruch, daß man ihn zu hoch einschätze und ließ sich nur von dem Waldhornwirth beschwichtigen, der ihm die Nützlichkeit hiervon immer mehr darlegte; Diethelm sah schnell, daß die Unbefangenheit, mit der er Einsprache erhoben, ihm für jetzt und später sehr gut zu statten käme, und als es nun endlich an die Wollvorräthe und die Zahl der Heerde kam, gab er selbst einen hohen Werth an, der in Betracht seines früheren Widerstrebens ohne Einspruch angenommen wurde. Die Versicherungssumme belief sich gegen zwanzig tausend Gulden und Diethelm schmunzelte als die Feuerbeschauer rühmend sagten: man sehe es einem bescheidenen Bauernhause gar nicht an, was darin stecke, besonders die Aussteuer der Fränz dürfe sich sehen lassen. Staunend gab man Diethelm verneinende Antwort, als er zuletzt einen großen Pack Papiere holte, mehrere davon vorzeigte und die prahlerische Frage stellte, ob man auch Staatspapiere und Unterpfandsscheine nach dem vollen Werth versichere. Für so reich hatte den Diethelm doch Niemand gehalten.
Scherzhaft fragte er noch zuletzt: »Wie hoch habt ihr die Wanduhr dort angeschlagen? die kostet mich keinen Heller mehr und keinen weniger als achttausend Gulden.«
Er erzählte nun unter Lachen wie ihn sein Schwager betrogen, und da er die Summe fast um das Dreifache zu hoch angegeben, vermied er es, dem Blicke seiner Frau zu begegnen, der, wie er zu spüren glaubte, zurechtweisend auf ihm ruhte.
Endlich wurde das Täfelchen mit den zwei rothen Händen in Ermangelung eines Fensterladens auf die Hausthür genagelt. Martha saß daneben auf der steinernen Hausbank. Diethelm stand bei ihr. Als der erste Hammerschlag geführt wurde, sagte sie leise von sich hin:
»Mir ist's, wie wenn ich den Nagel in meinen Sarg schlagen hörte.« Diethelm blickte sie nur scharf an und ob dieser Rede erzürnt, blieb er nicht zu Hause, sondern ging mit den Männern hinab in das Waldhorn und blieb dort den ganzen Tag bis tief in die Nacht. Als die feinwolligen Schafe, die man nicht im Pferch übernachten ließ, am Abend heimkamen, schauten sie, den Blicken ihres Führers folgend, verwundert nach dem hellfarbigen Täfelchen über der Hausthür. Heute kam Diethelm nicht zur Laternenvisitation und noch spät in der Nacht trug Medard seine geringe Habe zu seinem Vater in das Dorf und übergab ihm noch ein Päcklein Tabak und einen Theil des Trinkgeldes, das er auf dem Kirchheimer Wollmarkt erhalten hatte. Der alte Schäferle, ein schweigsames, dürres Männchen, nickte froh, er bedurfte zu seinem Lebensunterhalt fast nichts als ein paar Kreuzer zu Tabak und ein Trinkgeld ließ er nicht gern altbacken werden. Vom Waldhorn herab tönte durch das stille Dorf Lachen und lautes Hin- und Herreden. Als der alte Schäferle in die Wirthsstube trat, wurde er mit großem Halloh empfangen, und Diethelm ließ ihm sogleich einen Schoppen einschenken, denn Alles um ihn her sollte lustig sein, wie er's selber war. Er
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